Plotausschreibung
Leider ist die Plotausschreibung verschollen.
Yarid Ruyven lud als Herr von High Chapel zu einer Jagd bei sich ein.
Oktober Con 2010 - Berichte
Hier findet ihr die Berichte der Cons, die die im Forum gepostet wurden.
Von Häusern und Töchtern
Briefe und Gedanken von Elaine Alton-Ardais
Auszüge aus dem Tagebuch von Fionn di Asturien
Ein Kater der Auszog um Einzuziehen
Perspektivenwandel
Und täglich grüßt das Rabbithorn…
Von Häusern und Töchtern
Aus meinen Gedanken...
Es war ein großer Spaß, diese Luftwagenfahrt. Aufregend und anstrengend, aber vor allem ein lustiges Abenteuer. Wer hätte gedacht, dass Menschen fliegen können und dass es sich so toll anfühlen würde…
Vor allem aber hat es mich abgelenkt.
Zu viele Nächte hatte ich mir seit dem Eintreffen der Einladung grübelnd und von Erinnerungen überwältigt um die Ohren geschlagen. Es stand sofort für mich fest, dass ich ihr folgen würde. Und der traurige Umstand, der Melissandra dazu brachte, mich zu begleiten, sorgte dafür, dass ich tatsächlich auch die Erlaubnis erhielt.
Meine Gefühle schlugen Purzelbaum. Ich freute mich natürlich darauf, mein Zuhause wieder zu sehen, in den Räumen herumzuspazieren und als inzwischen dem Haus entwachsene und in die Welt hinausgegangene Frau liebevoll über die vertrauten Dinge zu streichen. Vor meinem geistigen Auge sah ich jedes Zimmer, das ich geputzt, jedes Möbelstück, das ich gewienert und jeden Gegenstand, den ich poliert hatte. Ich sah die Farbe an den Wänden, die sich windende Treppe, wusste genau, welche Stufe knarrt, und kannte den Blick aus jedem Fenster. Mein Herz quoll über vor Sehnsucht und Vorfreude.
Andererseits war da auch Angst. Sehr viel war an diesem Ort geschehen, Gutes – aber auch Schlechtes. Ich hatte mich dort selbst verloren, und ich hatte viele vertraute Menschen verloren. Und vor allem war es der Ort, an dem mein geliebter Herr und Vater gestorben war. Lange noch hatte ich seinen Schädel mit mir herumgetragen, bis man mich gezwungen hatte, auch diesen zu begraben.
Das war kurz vor meiner plötzlichen Abreise gewesen.
Die Ereignisse vor knapp zwei Jahren…
Das Haus von Dom Yannis Alton war früher ein glückliches Haus. Gäste kamen, Musik spielte, es fanden Jagden und tiefernste Diskussionsrunden statt. Haus und Hof florierten. Ich selbst war dort hinein geboren worden. Schon von Kindesbeinen an machte ich mich als kleine Magd nützlich, und im Laufe der Zeit eignete ich mir mehr und mehr Fähigkeiten an und wurde die erste Hausdienerin des Anwesens.
Dann klopfte eines Tages ein Barde an unsere Tür. Er suchte eine Stelle, und Dom Yannis stellte ihn ein.
Mit diesem Tag, mit Yarids Erscheinen, brach das Unglück über High Chapel herein. Innerhalb weniger Wochen wurden wir krank. Nach und nach verstarben die Mitglieder des Haushalts, bis nur noch mein geliebter Dom Yannis, der Coridom Jamie, die Magd Mairie und ich übriggeblieben waren. Am Leben, ja. Aber nicht gesund. Mairie, noch nie die allerhellste, war nun auf dem niedlichen geistigen Niveau einer Siebenjährigen. Jamie verlor sein Interesse an der Haushaltsführung zunehmend und verfiel dem Alkohol. Dom Yannis ging es immer schlechter. Und ich selbst zerfiel in Einzelteile, wie man mir später erklärte. Ich nannte mich Grisilda, Magda und Áine, wobei Magda mit Mairie geistig kaum mithalten konnte, Áine alles anflirtete, was nicht schnell genug fliehen konnte, und Grisilda auf strenge und unnachgiebige Art das Haus zusammenhielt. Auf sie war Verlass, wenn es um Sauberkeit und Ordnung und das Versorgen der anderen Bewohner ging. Aber Mitmenschlichkeit konnte man von ihr nicht erwarten. Der einzige, dem ihre (und Magdas und Áines) uneingeschränkte Sorge und Liebe galt, war Dom Yannis.
Doch dieser kam kaum mehr aus seinem Zimmer. Und ständig war Yarid bei ihm, um sich um ihn zu „kümmern“. Oder hielt er ihn dort fest? Ich kann es nicht sagen. Grisilda, Magda und Áine nutzten die Zeiten, in denen Yarid schlief oder – wie so oft – in seiner eigenen entsetzlich traurigen Welt lebte, seine Harfe im Arm. Doch Dom Yannis war fast nie bei Bewusstsein. Ich hatte kaum mehr die Gelegenheit, mit ihm zu sprechen. Und dann war er tot.
Ich wollte es lange nicht wahrhaben, es zerriss mir das Herz. Es schien, als wäre mehr als nur mein Herr gestorben.
Yarid stand nun dem Haushalt vor. Und er erklärte uns, Dom Yannis habe ihn adoptiert und als Erben eingesetzt. Nun, wenn dem so war, würden wir ihm gehorchen müssen. Aber mit rechten Dingen war das nicht zugegangen. Da waren wir uns einig. Der Dom Yannis aus alten Zeiten, Herr seines Geistes und seines Körpers, hätte niemals einen dahergelaufenen Barden als Erben eingesetzt!
Und dann waren auf einmal diese vielen Menschen gekommen. Die Ereignisse hatten sich überschlagen. Die unheimliche dunkle Macht, die die ganze Zeit seit Yarids Ankunft spürbar gewesen war, war sichtbar geworden. Unsere Besucher gerieten in Angst und Schrecken. Jamie wurde mit einem Dolch ermordet, das hübsche weiße Mädchen Kierestella wurde von den dunklen Gestalten geraubt…
Doch dann konnte das Böse schließlich vertrieben werden. Man heilte mich, teilte mir mit, dass ich die Tochter Dom Yannis’ sei und von der Familie anerkannt werde, und schickte mich umgehend in einen Turm, wo ich ausgebildet werden sollte…
Aber das ist eine andere Geschichte.
Ich verscheuchte die alten Erinnerungen, stieg mit klopfendem Herzen aus dem Luftwagen und eilte auf das Haus zu. Alles war so vertraut, ich bekam vor Rührung kaum Luft. Mein Zuhause! Das Haus meines Vaters!
Doch dann blieb mein Herz plötzlich stehen: Yarid hatte Veränderungen vorgenommen! Der wunderschöne Bogen des Eingangstores war entfernt und eine eckige Tür eingesetzt worden! Und im Eingang stand eine grinsende Gestalt, die erklärte, sie würde uns ja gern empfangen, wenn sie Herr des Hauses wäre, aber das sei sie nicht, und das Personal leider eher langsam…
Alle Luft entwich aus meinen Lungen, ich krümmte mich. Wer war das? Und wie kam er dazu, das Haus und die hier lebenden Menschen so zu verspotten?! Wer waren diese Menschen überhaupt und was hatte Yarid mit dem Haus gemacht?! Und warum?!
Ich konnte das Haus nicht betreten, solange diese merkwürdige Person dort stand. Doch schließlich wurden wir vom neuen Coridom hereingeführt. Ich dachte kurz an Jamie, aber er war es nicht. Melissandra blieb an meiner Seite, und Julianna hüpfte aufgeregt hin und her. Sie freute sich wohl sehr auf ihre Familie. Außerdem schien sie furchtbar neugierig auf Yarid zu sein, warum, weiß ich allerdings nicht. Ich ging die alte Treppe hinauf zum Saal, und wieder traf mich der Schlag. Auch hier war alles verändert worden. Kein einziges der alten Sammlerstücke, die meinem geliebten Herrn und Vater so viel bedeutet hatten, stand mehr an seinem Platz. Alles wirkte modern und – ohne Seele.
Yarid brauchte einen Moment, um uns zu bemerken, so sehr war er in ein Gespräch vertieft. Dann kam er auf uns zu, in ungewöhnlich guter Stimmung, ja nahezu aufgekratzt. Ich brachte kaum ein Wort heraus. Und anstatt ihn freundlich zu begrüßen – als ehemaligen Barden im Dienste meines Herrn und Vater, als meinen ehemaligen Herrn, als Adoptivbruder oder als jetzigen Hausherrn –, brachte ich nur ein gekrächztes „Warum?“ über die Lippen. „Warum hast du alles verändert? Hat dich dein Gewissen so sehr geplagt, dass du die Erinnerungen an den wahren Hausherrn auslöschen musstest?“ Yarid verzog nur kurz erstaunt das Gesicht und erwiderte eifrig, er halte doch die Erinnerung an Yannis hoch und in Ehren – wie man an dem aufgehängten Bild sehen könne.
Lächerlich. Aber ich bemerkte soeben die anderen anwesenden Gäste und biss mir auf die Zunge. Nicht der geeignete Zeitpunkt für eine „Familien“fehde.
Ich hatte mich so auf das Wiedersehen mit meinem Zuhause gefreut, hatte mich so sehr danach gesehnt. Doch hier war alles fremd. Verändert. Es tat unglaublich weh. Ich nahm Platz, konnte aber nichts von den angebotenen Erfrischungen herunterbringen. Ich beobachtete Yarid in seiner Rolle als Hausherr. Und ich verstand nicht, in was für eine lächerliche Komödie ich da geraten war. Yarid wusste kaum, wie er sich benehmen sollte, wirkte unsicher und versuchte, dies mit übertriebener Leutseligkeit zu überspielen. Ein Lord! Ein unerträglicher Gedanke!
Dann entdeckte ich Fionn unter den Anwesenden. Er schien gerade hereingekommen zu sein. Ich stürzte auf ihn zu, freute mich so, ihn zu sehen! Er war schließlich vor knapp zwei Jahren dabei, er würde verstehen, was mir durch den Kopf ging. Und als er mich fragte, wie es mir so ergangen sei, strömten die Worte nur so aus mir heraus. Ich schilderte ihm meine Not, die ich mit Yarid als Hausherrn hatte. Sah denn niemand, wie er sich dieses Erbe erschlichen hatte? Fragte denn niemand, wieso mit seinem Erscheinen ein ganzes Haus plötzlich verfiel? Sah denn niemand, wie das Erbe von Dom Yannis hier zu einer Schmierenkomödie verkam? Fionn gab sein Bestes, meinem Wortschwall standzuhalten. Am Ende vermied er es jedoch, mir seine Unterstützung zuzusichern. Er verwies mich auf meine Familie.
Meine Familie!
Als Alton-Nedestra hatte ich natürlich eine Familie.
Allerdings waren nur entfernte Verwandte da, die ich noch nie gesehen hatte. Andererseits waren es die Geschwister von Lord Alton. Vielleicht würden sie meinem Anliegen Gehör schenken. Zuerst begrüßte ich Elaine Alton-Ardais, eine Dame mit sehr viel Stil und offensichtlich sehr konservativen Ansichten. Am liebsten wäre ich gleich wieder in den Knicks der ehemaligen Dienerin verfallen, aber Melissandras und Juliannas Gegenwart erinnerte mich noch rechtzeitig an meinen neuen Stand. Die Begrüßung fiel freundlich, wenn auch nicht gerade familiär aus. Aber all das war mir eigentlich egal. Mein Kopf war voller anderer Gedanken. Und es hielt mich auch nicht lange auf meinem Stuhl, ich bat Domna Elaine um ein Gespräch. Außerdem fragte ich Melissandra, ob sie mich begleiten würde. Ich wollte jemanden an meiner Seite haben, der mich stützen oder bremsen könnte, wenn meine Gefühle mit mir durchgehen sollten. Ich wusste nicht, ob ich ein solches Gespräch allein durchstehen würde. Zu unsicher war ich mir noch in meiner Position, zu unsicher hinsichtlich der Regeln, zu vage möglicherweise mein Unmut über Yarids Hausherrengetue.
Domna Elaine hörte sich mein Anliegen an und blieb die ganze Zeit freundlich distanziert. Schließlich gab sie mir zu verstehen, dass sie sich als Frau über derartige Dinge nicht den Kopf zerbrechen könne und ich mich doch bitte an kundigere Menschen, allen voran ihren Bruder, Dom Ramon Alton y Syrtis, wenden solle.
Nun, das war nicht die Unterstützung, die ich mir gewünscht hatte. Ich konnte noch einigermaßen nachvollziehen, dass sie sich in keinerlei politische Entscheidungen einmischen mochte. Dass sie aber noch nicht einmal irritiert über den neuen Hausherrn schien, fand ich erstaunlich. Ja, geradezu befremdlich. War es ihr egal, was mit dem Haus ihres Verwandten passierte? Glaubte sie denn, dass sie Dom Yannis’ Andenken ehrte, indem sie diese unter mehr als fragwürdigen Umständen zustande gekommene Adoption anerkannte? Ich verstand diesen verqueren Familiensinn nicht.
Immerhin konnte ich aber Domna Elaine dazu überreden, dass sie mich ihrem Bruder vorstellte und ein Gespräch mit ihm arrangierte.
Zwischenzeitlich schnappte ich immer mal ein paar Gesprächsfetzen anderer Gäste auf, die inzwischen zahlreich eingetroffen waren. So freute man sich, dass das Haus „endlich wieder sauber“ war. Yarid hätte seinen Haushalt endlich im Griff, so dass Staub und Schmutz der Vergangenheit angehörten! Ich schäumte vor Wut. Das Haus von Dom Yannis Alton war immer ein sauberes und ordentliches gewesen. Und erst als mit Yarids Ankunft Tod und Krankheit um sich gegriffen hatten, war es zunehmend schwerer geworden, die anfallende Arbeit zu bewältigen. Grisilda hatte so sehr ihr Bestes gegeben. Aber wie hätte sie allein das komplette Anwesen in Schuss halten können?! Ich wollte die feinen Damen und Herren gern mal sehen, wie sie in ähnlicher Situation dagestanden hätten! Und ohne Yarid wäre das Gut wohl nie so heruntergekommen. Ihm jetzt Lob dafür zu zollen, dass er es pünktlich zur Feier gerade so wieder hinbekommen hatte, war mehr als zynisch. Und wenn man genau hinschaute, sah man auch recht schnell, dass ein Großteil des Personals erst vor kurzem eingestellt worden war und noch kaum wusste, wo oben und unten ist. Vom betrunkenen Wachpersonal ganz zu schweigen…
Aber dann ergab sich die Gelegenheit, Dom Ramon zu sprechen. Er hörte sich mein Anliegen an – ebenfalls eher zurückhaltend, manchmal fast amüsiert. Er stellte mein Erinnerungsvermögen und meine Motivation in Frage. Er wollte wissen, ob ich etwa das Haus für mich selbst haben wollte. Ich überlegte kurz und sagte dann, dass es in meine Hände vermutlich eher gehörte als in die des Barden, aber dass es mir vor allem darum ginge, die Ehre und das Ansehen von Dom Yannis Alton nicht ins Lächerliche gezogen zu sehen. Eine Weitergabe des Anwesens an einen wahren Alton schien mir das Mindeste zu sein. Abgesehen davon besaß ich aber auch einen Brief, in dem vom Hause Dom Yannis’ meiner Mutter versichert wurde, dass ich in dem Anwesen immer eine sichere Zuflucht hätte. Nur – wie sollte das aussehen? Yarid und ich geschwisterlich unter einem Dach? Also, wenn sich etwas nicht ziemt, dann wohl eine solche Lösung!
Dom Ramon interessierte sich für den alten Brief kaum. Möglicherweise gelten solche Versprechen in seinem Hause nicht viel. Er erklärte mir abschließend, dass er genau aus diesem Grund – der Klärung der Erbansprüche und der Rechtmäßigkeit des Eigentums – nach High Chapel gekommen war, und dass ich ruhig alles ihm überlassen könne.
Die Distanziertheit und Unverbindlichkeit des Gesprächs zeigte mir, dass mein Anliegen auch hier auf taube Ohren stieß. Es war wohl bequemer, alles so zu lassen, wie es war. Den Mantel des Schweigens darüber zu legen und die quengelnde Nedestra zu ignorieren. Mehrfach konnte ich meine Tränen kaum zurückhalten, obwohl ich wusste, dass sie meinen Gesprächspartner eher abstoßen als überzeugen würden. Zu sehr lag mir die Geschichte meines Heims am Herzen.
Doch dann geschahen Dinge, die alle Anwesenden und auch mich vollkommen in Beschlag nahmen. Schreckliche Dinge, die die Erinnerungen an die Ereignisse vor knapp zwei Jahren schlagartig wieder lebendig werden ließen. Ich überlasse anderen die Details, zu wenig hab ich selbst davon verstanden. Wir schwebten in großer Gefahr, wieder durch dunkle Mächte ausgelöst, wieder war Yarid irgendwie darin verwickelt. Ich tat mein Bestes, nützlich zu sein. Lange war unser Schicksal ungewiss, und natürlich verschwendete ich kaum einen Gedanken mehr an meine privaten Anliegen.
Yarid bot mir allerdings zwischenzeitlich an, ich könne ihn doch pro forma heiraten, und wir würden gemeinsam das Haus bewohnen. Er würde in seinem Leben nicht mehr ernsthaft heiraten und schon gar keine Nachkommen zeugen wollen, ich hätte da freie Hand…
Ich gebe zu, ich war eine Zeitlang in Versuchung. Aber wie gesagt, die Ereignisse ließen keine ernsthaften Überlegungen zu.
Statt dessen arbeitete ich schließlich in einem großen Kreis mit, da brauchte ich all meine Konzentration. Es ging darum, die böse Macht in eine Matrixfalle zu locken. Das war anspruchsvolle Kreisarbeit, für die ich mich kaum ausreichend ausgebildet fühlte. Aber wir brauchten jeden von uns. Dennoch hätte ich es trotz allen Bemühens beinahe nicht durchgestanden! Und wie stolz war ich, als wir es geschafft hatten! Die Bedrohung war beseitigt – und ich hatte mitgeholfen! Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dieses Laran tatsächlich nutzbringend einsetzen zu können! Melissandra als meine Ausbilderin beglückwünschte mich, und wir lagen uns erleichtert in den Armen.
Und da reifte mein Entschluss.
Ich würde Abschied nehmen von meinem Zuhause. Keine faulen Kompromisse und keine falschen Eheversprechen. Ich würde die schmerzlichen Erinnerungen aus meinem Gedächtnis bannen und von nun an im Turm all meine Kraft einsetzen und meine Ausbildung weitaus zielstrebiger als bisher vorantreiben. Ich wusste jetzt, wo ich hingehörte. Und in Melissandras Augen sah ich Freude und Zustimmung. Meine Familie war mein Turm.
Und damit würde es nicht nur ein endgültiger Abschied vom Haus meines Vaters werden, sondern auch von einer Familie namens Alton. Diese war inzwischen mit Plänen beschäftigt, Yarid in die Familie einzuheiraten und damit seinen Besitzanspruch zu legitimieren. Die Götter mögen seiner Zukünftigen beistehen, denn mit seiner Alayra wird sie nicht konkurrieren können. Im eigenen Haus auf Lebzeiten nur zweite Geige. Und wie sie zu den verlangten Kindern kommen soll, angesichts von Yarids öffentlich geäußertem Abstinenz-Gelübde (das er an dieser Stelle wohlweislich nicht noch einmal wiederholte), das ist wohl ihrer Phantasie und Moral überlassen… Außerdem sollte Yarid schnell noch ein bisschen Benimmschule durch Domna Elaine erhalten. Damit machte man nun endgültig den Bock zum Gärtner. Nur Schein, kein Sein. Offensichtlich hatte mich mein erster Eindruck nicht getrogen: Hier fand eine Schmierenkomödie statt, zu deren Ensemble ich jedoch nicht mehr gehören wollte. Und eine Familie, die eine ihrer Töchter so sehr im Stich ließ, brauchte mich nicht. So wenig wie ich sie. Ich würde von nun an gesellschaftliche Anlässe meiden, auf diese Weise würde ich schnell wieder in Vergessenheit geraten. Und ich würde im Turm zu Hali ein neues Zuhause, eine Familie und einen Lebenssinn haben.
Ich bat also Dom Ramon um die Erlaubnis, wieder nach Hali reisen und meine Ausbildung abschließen zu dürfen. Er gewährte sie mir, vermutlich ebenfalls froh, mich so billig wieder los zu sein.
Ich ging ein letztes Mal durch die Räume, suchte nach Vertrautem, fand es hier und da. Ich nahm Vaters Bild von der Wand, nahm einige persönliche Dinge aus meiner ehemaligen Kammer und schaute noch ein letztes Mal nach den von Yarid beiseite geräumten Sammlerstücken.
Die letzten Minuten verbrachte ich an Vaters Grab.
Dann bestieg ich erneut mit Melissandra und Julianna den Luftwagen, um auf eine Weise zu reisen, die Menschen fliegen und gleichzeitig ihre Sorgen vergessen lässt.
... Und jetzt raus aus meinen Gedanken!... *Barrieren hochzieh*
Briefe und Gedanken von Elaine Alton-Ardais
Während am Samstag Morgen der Kriegsrat im Erdgeschoß beriet, schrieb Elaine unter großer Mühe einen Brief an ihren Gemahl, der auf Ardais weilte. Zwar bot sich ihre Begleiterin an den Brief zu schreiben, doch war sie der Meinung, dass Coryn weit besser ohne ausführliche Worte ihre Sorgen versteht, wenn sie sich selbst die Mühe des Schreibens macht.
Nach einem ereignisreichen Tag schrieb Elaine am späten Abend einen weiteren Brief an ihren Gemahl.
Übersetzung
1.Brief
Mein lieber Coryn
Gestern sind hier auf High Chapel seltsame Dinge geschehen, die mich sehr ängstigend und verwirren. Gestern verstarben hier Dom Corran di Asturien und Yarid.
Mein Bruder Ramon hat festgestellt das Dom Corran versuchte jemanden mit Laran abzuwehren, denn er wurde mit der Matrix in seiner Hand und durchgebissenen Lippen gefunden. Vielleicht kannst du daraus etwas schließen. Kurz zuvor hatte ich noch mit ihm zusammen gesessen.
Den Tod von Yarid habe ich nicht miterlebt, den ich war bei Domna Aliciane, um ihr in ihrem Schmerz beizustehen.
Und dann waren wir plötzlich wieder in der Halle und Yarid begrüßte uns als seine Gäste, wie einige Stunden zuvor. Lebend! Und auch Dom Corran saß an seinem Platz, frohgemut und bester Gesundheit.
Es war erschreckend, da ich doch noch kurz zuvor mit Aliciane an seinem Leichnahm gewacht hatte. Octavian und Irmelin Hastur hielten das ganze für ein Schauspiel und applaudierten.
Wir alle konnten uns daran erinnern, was geschehen war, nur Dom Corran und Yarid nicht. Das alles macht mir Angst, Coryn, denn ich verstehe es nicht. Und einige der Gäste erzählten wieder und wieder von den Ereignissen auf High Chapel vor einiger Zeit von denen Errol Finn berichtete.
Ich würde am liebsten zu dir reisen oder dich bitten so schnell wie möglich zu mir nach Armida zu kommen, wohin ich abreisen möchte. Aber wo ich diese Zeilen schreibe, weiß ich nicht, bo das richtit gist, einfach fortzugehen. Sollte ich nicht bleiben um dieses Rätsel zu lösen?
Ich wünschte du wärest hier, mein Liebster. Ich brauche dich. Deine Stärke und deinen Rat. Ich komme ir so dumm und hilflos vor.
Bleibe nicht zu lange auf Ardais.
In Liebe
Deine Elaine
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2. Brief
Mein lieber Coryn,
Die Dinge waren aufwühlend an diesem Tag. Ich wünschte sehr das du hier gewesen wärest, den das Rätsel von High Chapell war mehr dein Metier denn meins. Ich werde dir davon berichten wenn wir uns wieder sehen. Aber ich kann dir sagen, dass alle wohlauf und am Leben sind.
Ramon hat Yarids Anspruch auf High Chapell bestätigt mit der Bedingung das er eine Alton zu ehelichen. Mir ist die Aufgabe zugefallen ihm die Braus auszuwählen. Zu dem hat Ramon mich darum gebeten es zu übernehmen ihn in den Formen der Etikette zu unterweisen. Auch wenn Ramon es als Bitte formulierte, konnte ich es nicht abschlagen. Du weißt wie ich über Yarid denke und ich halte es für meine Pflicht ihm zu helfen.
High Chapell ist nun wied ein ruhiger Ort versicherte man mir. Ich werde bleiben, bis du von Ardais zurück kehrst und mich und die Kinder hier abholst.
Prekäre wird die Situation mit Yarid jedoch vielleicht in Thendara, da er die Hastur brüskierte. Und weshalb ich ihn nach Ramons Weisung unter meine Fittiche genommen habe. Er wird den Namen Alton tragen und eine Tochter dieses Hauses heiraten. Es ist mir wichtig das aller Familienehre nicht durch alte Versäumnisse geschädigt wird.
Mache dir keine Sorgen um mich. Ich habe mich von Gefahren und Aufregungen fern gehalten.
Ich weiß nicht, ob es meinen Bruder vor den Kopf stoßen wird, wenn du bei Giley Yarid ansprichst und alte Versäumnisse anderer nachgeholt werden.
In Liebe
Deine Elaine
Elaines Gedanken
Elaine saß in den Räumen, die Yarid ihr zur Verfügung gestellt hatte. Die Gäste waren abgereist und die Kinder weilten noch auf Armida. Es war eine seltene Ruhe die Elaine dazu brachte, über die Dinge die in den letzten Tagen geschehen waren nachzudenken. Sie musste sie in ihrem Kopf ordnen sonst würde sie dass alles gar nicht mehr zusammen bekommen, wenn sie es Coryn erzählen wollte. Und er würde sicherlich sehr neugierig über ihre Erzählung sein, was hier geschehen war. Er würde ihr zuhören, nicken und viel mehr von dem verstehen was er hörte als sie von dem verstand was sie sagte.
Sollte sie die Dinge aufschreiben? Sie würde niemals mit einem solchen Bericht fertig werden und keiner konnte ihn lesen. Zudem würde sie die Tinte niemals wieder von ihren Fingern bekommen. Trotzdem war das Aufschreiben keine so schlechte Idee.
Catriona holte Papier, Tinte und Feder und wartete darauf, was ihre Lady ihr diktieren würde.
Elaine lächelte. Wo sollte sie beginnen. Sollte sie mit „Es war einmal“ beginnen? Aber das hier war kein Märchen, sondern mehr eine Schauergeschichte. Zumindest in Elaines Augen.
Langsam begann sie zu diktieren.
Catriona und ich reisten gemeinsam mit meinem Bruder Mikhail Caldir und seiner Frau Deionora von Armida nach High Chapel. Ich hatte auch auf Ramons Begleitung gehofft, doch er wurde Aufgehalten und traf erst nach uns ein.
Ich kann mich nicht mehr recht entsinnen, doch wir waren mit bei den ersten Gästen, die eintrafen. Yarid begrüßte uns sehr freundlich und ich übernahm es ihm Mikhail und Deionora sowie Catriona vorzustellen. Sein Benehmen war hervorragend und die Dienstboten aufmerksam, dass sie schon auf einen Blick hin zu uns eilten ohne das jemand ein Wort sagen musste. Mochten andere sich später über die Wachleute mokiert haben, über die Dienstboten kann ich kein schlechtes Wort verlauten lassen.
Und schon beginnt es zu verwischen und ich wüsste nicht zu sagen, wer als nächstes eintraf. War es Varzil Storn von Callarma oder waren es die Abgesandten des Turmes von Hali? Mit wem traf eigentlich Catrionas Bruder ein oder kam er allein? Ich glaube Colin Storn von High Kinnally kam alleine in die Halle. Es war so viel um uns herum, dass ich gar nicht mitbekam, dass die beiden sich begrüßten.
Oh … jetzt finde ich wieder den Faden. Aine Alton, von der ich die Leute auf Armida habe reden hören und von der auch mein Bruder Errol Finn erzählt hatte, kam zu mir, um mich unter vier Augen zu sprechen. Da es sich nach ihren Worten wohl um Angelegenheiten der Altons ging, nahm ich Catriona mit in die Runde, damit sie mir als Zeugin dienen konnte. Ähnlich dachte wohl auch Aine, denn sie behielt ihre Ausbilderin aus Hali an ihrer Seite. Vielleicht war es aber auch nur geistiger Beistand für ihre Angelegenheit.
Aine war besorgt, dass Yarids Anspruch auf das Gut High Chapell nicht angezweifelt wurde. Und obwohl sie sich im Turm wohl fühlte war ihr jetzt, da sie zurück gekehrt war, danach als natürliche Tochter von Yannis Alton für ihr Erbe … zu kämpfen oder es zu fordern? Oder zumindest große Bedenken zu äußern.
Würde ich nichts über Yarid wissen, so würde ich ihr sicher zustimmen, dass es nicht rechtens wäre, dass ein Barde die Güter und den Namen eines Comyn erbt. Kein Wort in diese Richtung kam jedoch über meine Lippen und meine Barrieren blieben wohl verschlossen, wie es sich für eine solche Gesellschaft gehörte.
Es tat mir leid Àine sagen zu müssen, dass sie nur eine Tochter sei und zudem eine Nedestra. Daher würde sie keine Ansprüche besitzen. Was soll ich ihr Hoffnungen machen auf Dinge, die ihr nicht zustehen? Nur die Aillards stellen sich gegen die gegebene Ordnung. Sie hatte sich mehr von mir erhofft, dass weiß ich. Doch war es mir nicht möglich und ich verwies sie darauf, dass sie diese Angelegenheit vielleicht mit meinem Bruder Ramon besprechen sollte – der gerade in ein intensives Gespräch mit Yarid vertieft war. Ich bin nur eine Frau und habe keine Entscheidungsgewalt in solchen Sachen. Und kann auch nicht wissen, welche Absprachen in der Vergangenheit getroffen worden waren.
Um mich wohl doch noch zu einem guten Wort bei Ramon zu bewegen und mich zu überzeugen, das Yarid nicht würdig war, begannen sie von jenen Ereignissen zu erzählen oder mehr anzudeuten, in die Yarid hier auf High Chapel verstrickt war. Ich kannte es von meinem Bruder und es hatte mich damals beunruhigt und geängstigt. Es nun genutzt zu sehen, um Yarid zu diskreditieren gefiel mir nicht wirklich, auch wenn ich mich ruhig zeigte. Zu meiner Erleichterung beharrten sie nicht all zu lange bei diesem Thema, dass mit mysteriös vorwurfsvollen Stimmen angesprochen wurde. Hatte Yarid nicht genug gelitten, dass man ihm kein Glück zugestehen wollte, hätte ich gerne gefragt? War es in dieser Runde wo Julianna Ardais fallen lies, dass er ein Verwandter war? Ich überging es und niemand schien es bemerkt zu haben. Ist es feige zu nennen, wenn ich mein Verhalten als Vorsicht bezeichne?
Es war glaube ich Julianna selbst die ungewohlt ganz andere Dinge zum Thema unserer kleinen Damenrunde machte. Ich bemerkte ihren freien Nacken und wollte sie rügen, ob dieser Freizügigkeit. Sie meinte, sie wäre im Turm seid sie vierzehn sei und … ich kann ihren Wortlaut nicht wirklich wieder geben. Doch schien er zu implizieren, dass diese Art der Kleidung im Turm gang und gäbe wären. Sicherlich meinte sie es nicht so, wie ich es verstanden habe und sie wollte mir mit ihren weiteren Worten auch nicht sagen, dass Mutter und Erzieherin ihre keine Regeln des Anstandes beigebracht hätten. Während dieses Gespräches drehte sie mir den Rücken zu und ich war einer Ohnmacht nahe und ich sah die Ehre des Hauses Ardais dahin schwinden. Es war nicht nur ihr Nacken der Unbedeckt war sondern gar hier halber Rücken schien unbedeckt zu sein. Ihre Ausbilderin schien sich dieses Faux-pas nicht bewusst gewesen zu sein, denn alle wirkten verwirrt ob meines entsetzten Blickes und meines hektischen Fächers. Erst dann legte ihr Melissandra Acosta einen Schal um, der die Blöße bedeckte.
War es da als die Hasturs die Halle betraten? Octavian und Irmelin Hastur von Hastur. Die Gewohnheit aus den Thendara übernahm die Zügel und ich erhob mich, um den Respekt vor Hastur zu bezeugen. Catriona musste ich glaube ich anstupsen. Octavian entließ uns auf seine so eigene Art, die mich immer wieder schmunzeln lässt. Selbst ohne Schwert wäre Octavian niemals unbewaffnet. Irmelin trug einen Traum von einem Kleid. Oh … ein Gedanke ging mir durch den Kopf. „Ich würde töten für solch ein Kleid!“ Es ist nicht übertrieben; was Kleider betrifft bin ich durchaus solcher Gedanken fähig, auch wenn ich sie niemals ausführen würde.
Nicht bald danach gesellte sich Irmelin sogar zu uns in der Gesellschaft von Aliciane Aldaran-di Asturien. Hatte ich sie zuvor schon begrüßt? War ich nicht sogar kurz an den Tisch der di Asturiens getreten, um sie zu begrüßen. Schließlich war sie eine Verwandte und ich kannte ihren Gatten flüchtig. Ja, ich glaube ich bin vorher an ihrem Tisch gewesen. Ich begrüßte Aliciane mit der Umarmung von Verwandten, fragte nach dem Wohlbefinden und Dom Corran nach dem Befinden seines Sohnes. Es war mir nicht bewusst und es war keine Absicht und es fällt mir erst beim Schreiben auf, dass ich seinen Friedensmann eher flüchtig begrüßte und mit keinem Wort nach seiner Gemahlin und seinem Schwiegervater fragte. Mochte ich ihr vor ihrer Heirat mit Fionn di Asturien gut zugesprochen haben und ihr versucht begreiflich zu machen, dass eine politische Heirat nun einmal zu den Pflichten einer Comyn-Tochter gehört, so wird es wohl immer in meinem Hinterkopf bleiben, dass sie und ihr Vater Leid über meine Familie und mein Land gebracht haben. Da war es leicht mit Dom Corran zu Scherzen, dass über manche Missverständnisse einfach nicht mehr gesprochen werden sollten. Keiner sprach es aus, doch sein Blick war deutlich, dass seine Worte über meine Suppe von damals ihm peinlich waren. So konnte ich lächeln und diesem Mann mit Respekt und Freundschaft begegnen. Kurz waren nur diese kleinen Aufmerksamkeiten und schon lange vorbei als Irmelin und Aliciane zu uns kamen.
Ich brachte meine Bewunderung für Irmelins Kleid vor und ob es auch von Mestru Duvic stammte. Es hätte mich gewundert wenn es dies wäre und hätte mich schwer gekränkt, hätte er mich nicht auch ein solches geschneidert. Stattdessen war es von Mestra Renata, die einst seine Schülerin gewesen war. So waren wir schnell in ein Gespräch vertieft das uns alsbald zur Oper führte. So sehr waren wir vertieft, das Domna Aliciane sich fast unbemerkt entfernen konnte.
Fünf Mal schon hatte Irmelin „Etwas mit einem Hund“ gesehen und ebenso „Die Entführung aus dem Serail von Carthon“. Jedoch hatte sie noch nicht das neueste Stück sehen können, wobei die „Zauberrhyll“ eines der besten Stücke ist, die ich je gesehen habe. Die Arie der Avarra ist unglaublich.
Wir Frauen blieben in einer Lustigen Runde in der mein Bruder Mikhail zuerst der leidtragende war und danach Catrionas Bruder Colin. Deionora hatte Spaß daran ihren soldatischen Mann damit aufzuziehen, dass er dringend für Thendara eine neue Garderobe bräuchte. Wir alle schwärmten ihm von Schnallenschuhen und Kniebundhosen mit Seidenstrümpfen vor. Und sehr, sehr schnell fiel unter kichern „Magenta ist das neue Schwarz“ und Colin war das neue Opfer für die Nachahmung der modischen Eskapaden von Hayden Elhalyn. Panik stand in Colins Blick und es war göttlich seinen Blick mit den beständigen Bewegungen des Fächers zu verwirren.
Mein Bruder Mikhail hatte sich glaube ich bereits aus unserer Runde entfernt und sie als Gefahr seiner Männlichkeit eingestuft als Colin uns entrissen wurde. Ich möchte nicht sagen, dass er die Flucht ergriff. Ich schmunzle darüber. Es aht soclh einen Spaß gemacht. Sie nehmen all unsere Worte von Magenta und Türkis ernst.
Ich schmeiße die Begebenheiten alle durcheinander, aber mit Colin Storn ist mir in Erinnerung geblieben, dass er mit Julianna hinunter in den Hof gehen wollte, um frische Luft zu schnappen. Nach ihrem Ausrutscher bat Julianna mich sogar um Erlaubnis. Colin scheint mir ein ehrenhafter, junger Mann zu sein, der es nicht vermied Frau und Kind zu erwähnen. Dennoch hielt ich es keineswegs für angebracht, dass Julianna mit ihm alleine hinaus ging. Dies ist nicht Thendara, aber einen solch unbedacht, freiem Rücken und Nacken muss ich mit Vorsicht behandeln. Catriona würde sich zudem sicherlich freuen, bei dieser Gelegenheit mit ihrem Bruder plaudern zu können und ich schickte sie mit den beiden hinunter.
Ich glaube, Domna Irmelin und Deionora wurde nun von den Arbeiterinnen aus Hali über die früheren Ereignisse auf High Chapel berichtet. Ich zog mich zurück mit der Begründung, dass mir diese Geschichte zu unheimlich und aufregend sei.
Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich noch mit anderen sprach. Zumindest stellte ich Àine Ramon vor als ich ihn endlich begrüßen konnte, und trug ihr Anliegen knapp vor, um die beiden dann alleine diesem Thema zu überlassen. Ganz in der Hoffnung, das Ramon die Dinge so sah wie ich. Flüchtig sprach ich mit Varzil Storn, seltsamerweise fehlten mir die Worte und ich wollte ihn nicht mit Mode und Theater langweilen.
Schließlich gelangte ich wieder an den Tisch der di Asturien, der bis auf Yarid und Dom Corran verwaist war. Und Dom Corran entschuldigte sich, kaum das ich Platz genommen hatte.
So war ich mit Yarid allein. Etwas befangen waren wir beide wohl. Trotzdem fielen mir die Worte leicht, die ihm Anboten, die Förmlichkeiten der Anrede zwischen uns fallen zu lassen. Es machte es leichter.
Er glaubte sich mit einer spöttischen Bemerkung blamiert zu haben, doch ich versicherte ihm, dass es nicht schlimm sei und das Missverständnis wohl auf beiden Seiten gelegen hätte. Und so leise wie unsere Worte gesprochen worden waren, konnten sie uns beide ohne jedwede Beleidigung erheitern. Ich hoffte, dass es Yarid etwas von seiner Spannung nahm. Die Nervosität, denke ich, machte Yarid übervorsichtig und der krampfhafte Versuch alles richtig machen zu wollen, ließ ihn in … ungute Situationen gelangen, die er eigentlich zu vermeiden gedachte.
Gerne hätte ich mich mit Yarid noch mehr unterhalten, doch er wurde in anderen Angelegenheiten, denen er sich nicht entziehen konnte, benötigt.
Dom Oktavian lud mich an seinen Tisch ein und bot mir ein Getränk an. Es wirkte grünlich und sollte glaube ich Met sein. Ehe ich jedoch davon kosten konnte und ein Gespräch überhaupt richtig in Gang kam, trat jemand zu mir und teilte mir mit, das Dom Fionn mich zu sprechen wünsche. Mögen die Götter mir verzeihen, ich weiß nicht mehr wer es war. Ob es der Coridom war oder gar der andere Friedensmann von Dom Corran.
Wie makaber wirkt es im nachhinein, das ich mich mit einem entschuldigenden Lächeln erhob und mit Dom Octavian scherzte, dass ich ihn nun so schnell verlasse, wie ich zuvor verlassen wurde. Ich kam an Catriona vorbei als ich zu Dom Fionn irgendwo außerhalb der Halle geführt wurde. Sie blickte fragend und besorgt und wollte mich begleiten. Sicherlich wäre es schicklicher gewesen, doch die Bitte hatte dringend und persönlich geklungen trotz der kurzen, wenigen Worten. Also tätschelte ich nur Catrionas Wange, lächelte fröhlich und sagte ihr, es sei alles in bester Ordnung. Sie solle sich keine Sorgen machen. Ganz wie meine Mutter es mich gelernt hatte, stets die Kontenance zu behalten, auch wenn man ahnt, dass vielleicht etwas unangenehmes hinter der Tür wartet. Die Gesellschaft sollte durch derartiges nicht gestört werden.
Was mich dann erwartete war mit nichten eine sorgenfreie und erfreuliche Situation, wie ich vorgab entgegen zu treten.
Dom Corran di Asturien von GreenScarp war tot!
Es war ein Schock als ich in den Raum trat und ihn dort auf dem Boden ausgestreckt vorfand. Jemand sagte mir er sei tot. Ich zweifelte nicht daran, Blut befleckte sein Gesicht als sei es ihm aus dem Mund gelaufen.
Seltsamerweise empfand ich keine Angst ob des Toten vor mir.
Unglaube war wohl das, was in mir vorherrschte. Unglaube, das dieser Mann, dem ich mit Respekt begegnete, obwohl er im Krieg gegen uns gestanden hatte, tot sein sollte. Ein Mann, der für seinen Ruf als Krieger geachtet wurde und dessen Name für viele gleichbedeutend war mit Ehre und Loyalität. Den Coryn als Verbündeten für den Erhalt des Friedens hatte gewinnen wollen statt als Gegner in einem Krieg. Er sollte einfach so tot sein?
Und es war Hilflosigkeit, ob seiner vor Schmerz über ihn gebeugten Frau. Dom Fionn, der nach mir verlangt hatte, saß an der anderen Seite seines Lords. Ich stammelte meine Fragen, was den geschehen sei und erhielt mit einer fast abwesend wirkenden Stimme die Antwort, das man ihn hier tot gefunden habe. Die Matrix in seiner Hand, die Lippen durchgebissen. Es musste der Schock sein. Schock in uns allen. Ich stellte noch weitere dumme, sinnlose Fragen, derer sich niemand die Mühe machte zu beantworten und die nur dazu führten, das Domna Aliciane in verständliche Hysterie verfiel.
Ich tat, wozu man mich offenkundig geholt hatte. Ich leistete Beistand und Trost. Nicht durch viele Worte, einfach durch meine Anwesenheit. Ich zog Domna Aliciane nicht von ihrem Mann fort, trotzdem versuchte ich sie zu stützen und in den Arm zu nehmen.
Jedes Wort wäre sinnlos. Ich würde nicht wollen, dass mir jemand sagte, dass ich stark sein müsse und das alles gut werden würde, wenn Coryn dort liegen würde. Ich hatte solche Worte nicht hören wollen, als man mir meinen ersten Mann tot aus dem Krieg gegen Ardais zurück brachte. Ich blieb, hielt Domna Alicianes Hand und hielt die neugierigen Gaffer von ihr fern und die tobende Domna Aliciane von ihnen. Als Ramon Dom Corrans Leichnahm untersuchte stützte ich sie. Ich hörte seine Worte kaum, die er danach sagte.
Es war jeder von uns beiden egal das wir auf dem Boden saßen. Es war egal, das Domna Aliciane an dem Bett kniete und die Hand ihres Gatten nicht los ließ.
Es verwischt wieder, weshalb und wann Yarid zu uns kam und einen weiteren Beobachter, der Aliciane in ihrer Trauer störte, mit möglichst höflichen Worten heraus komplimentierte. Es verwischt, wer was in dem Raum, in dem Dom Corran gestorben war untersuchte und heraus fand.
Ich schloss uns beide mit Dom Corran förmlich ein, damit sie alleine sein konnte, ganz für sich in ihrer Trauer um den geliebten Ehemann.
Und ich blieb aus Sorge und Anteilnahme. Aus großer Sorge, was sie tun würde, wenn ich den Raum verließe, so groß erschien mir ihr Schmerz.
Dann packte mich Verwirrung, kurz war mir schwindelig … und ich saß dort an der Tür an der Halle mit Domna Aliciane. Dort wo wir zuvor irgendwann mit Domna Irmelin gestanden hatten. Ich blinzelte irritiert, denn Yarid stand dort in der Halle und begann seine Begrüßungsrede erneut zu halten. War nicht bis zu mir gedrungen, dass er zusammen gebrochen war? Und gar ebenfalls tot. Mein Blick wanderte und mein Arm auf Domna Alicianes Schulter verkrampfte sich. Dort, an dem Platz wo er auch gesessen hatte als Yarid uns vor einigen Stunden begrüßt hatte, saß Domna Alicianes Gemahl. Dom Corran wirkte entspannt, sogar fröhlich … und äußerst lebendig.
Es wirkte wie eine dämonische Posse, wie er da saß und lachte, wie Yarid dort stand und seine Gäste begrüßte. Und nicht nur mir schien es makaber vorzukommen. Während Domna Aliciane zu ihrem lebenden Gemahl eilte folgte ich ihr. Und auf den Gesichtern aller konnte ich den Unglauben und die Verwirrung sehen. Die einzigen, die nicht Verstört zu sein schienen, waren die Hasturs mitsamt Dom Octavians Friedensmann. Sie klatschten Applaus als hielten sie dies wirklich für eine Posse. Hätte ich nicht die Kälte von Dom Corrans Haut gespürt und wäre bei jemand gänzlich anderem zu Gast… vielleicht hätte ich auch gedacht, das man sich viel Mühe für die Unterhaltung der Gäste gemacht hätte.
Domna Aliciane hielt es keineswegs für eine Posse. Sie klammerte sich an ihren Mann und hielt wieder seine Hand, die nicht mehr kalt und tot war.
Doch er war verwirrt. Seinem Gesichtsausdruck nach hielt er seine Frau für übersentimental. Und nur wenige Worte von ihm und uns zeigten, dass er sich nicht erinnern konnte wie wir anderen. Auch Yarid fehlte offenbar jegliche Erinnerung was zwischen dieser Begrüßung und der ersten geschehen war. Für sie beide war es immer noch die erste. Er hielt uns alle für verrückt und eilte hinaus.
Blieb ich mit Domna Aliciane zurück? Gab ihr Beistand bei diesem traumatischen Erlebnis und der Zurückweisung durch ihren Mann. Ich glaube, sie eilte ihm nach während ich Cationa suchte. Diese Ereignisse waren so aufwühlend, das ich wahre Lücken in meinem Gedächtnis habe. Brüchstückhaft erinnere ich mich im Hof gewesen zu sein, den Gesprächen gelauscht zu haben, die sich darüber unterhielten, wer dies getan haben könnte. Den am Stand der Monde konnten wir sehen, dass Zeit vergangen war, was Dom Corran und Yarid als Beweis unserer Worte ansehen mussten, so schwer es ihnen zu verstehen fiel. Verstehen … keiner von uns verstand etwas. Ich am aller wenigsten.
Eines verstand ich aber, dass es sicherlich nicht Dom Octavian und Domna Irmelin gewesen waren, nur weil sie geklatscht hatten. Die Bedenken gegen sie bei den anderen, die dort sprachen waren groß gegen sie. Aber kannte einer von ihnen die beiden? Nein. Sie hielten sie für arrogant und affektiert. Dachten sie so auch von mir, wenn ich nicht in ihrer Gegenwart war? Es schmerzte mich … aber es machte mich auch unruhig. Verstand ich die Dinge falsch? War ich nach so langen Jahren in Thendara immer noch so naiv um auf gespielte Freundlichkeit herein zu fallen? Nie hatte ich Dom Octavians Freundlichkeit für geheuchelt gehalten.
Ich sprach zu niemandem ein Wort als ich wieder hinauf in die Halle ging, die kaum noch mit Gästen gefüllt war. Die Hasturs mit ihrem Friedensmann saßen alleine an ihrem Tisch. Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden gesellte ich mich zu ihnen. Ich hatte einen guten Grund, schließlich stand mein Glas mit seltsamen grünen Met immer noch dort. Sollte es, doch es war inzwischen leer. Der grüne Met war geleert, doch ich erhielt von Dom Alastair etwas anderes. Ich erinnere mich nur an süße, klebrige Lippen bei diesem Getränk.
Ich blieb ruhig und zurückhaltend, noch immer halb in der Erschütterung der Ereignisse gefangen. Ich hörte ihnen zu. Und erlangte Erleichterung und Bestätigung für mich.
Nach den Worten, die sie äußerten, nach den Gedanken, denen sie nachgingen hatten sie kein bisschen mit all dem zu tun. Sie waren genauso ratlos wie alle anderen. Es fiel kein abfälliges Wort. Trotzdem hielt ich Dom Octavians Friedensmann für einige Augenblicke im Blick. Wenn eine Familie Gründe hätte Dom Corran di Asturien zu töten, dann war es die seine. Castamier liegt … lange Zeit mit Asturias in Fehde. Aber nur deshalb einen Mann beschuldigen?
Wann ich mich von den Hasturs wieder verabschiedete und was noch geschah an jenem Abend…. Ich weiß es nicht mehr. Meinen Bruder Mikhail und Deionora hatte ich vollkommen aus dem Blick verloren.
Die Nacht war lang fortgeschritten als Catriona und ich uns für die Nacht zurück zogen. Was sollten wir schon tun? Ich hegte die Hoffnung, dass über Nacht alles gut werden würde. Trotzdem waren wir beide ängstlich und froh über die vertraute Anwesenheit des anderen.
In der Dunkelheit unserer Kammer hatte ich mich die ganze Nacht gefürchtet. Aus Sorge Catriona aus dem Schlaf zu wecken, der sicherlich unruhig genug war, hatte ich die Tränen der Furcht nicht zugelassen. Als wir aufstanden, war mein Entschluss gefasst.
Wir würden abreisen! Ich verschwendete in meiner Furcht keinen Gedanken an Yarid. Ich wollte nur fort! Ich wollte nach Hause, meine Kinder bei mir in Sicherheit wissen und meinen Mann an meiner Seite haben. Ich wollte bei ihm sein so schnell es nur ging. Und all die seltsamen Dinge der letzten Nacht vergessen.
So trug ich zwar wie die Hasturs meine Jagdkleidung, noch nicht, damit der Ritt nach Armida schnell und sicher von Statten gehen konnte.
Während die anderen berieten, setzte ich mich in die Halle und schrieb einen Brief an Coryn. Ich schrieb selbst so gut es ging nieder, was mich ängstigte. Allein diese Tatsache würde ihm mehr über meine Verfassung sagen als alle Worte. Catriona bot sich an, das Schreiben zu übernehmen als sie beobachtete, wie sehr ich mich quälte. Ich schlug es aus.
Der Versuch mich kurz zu fassen scheiterte und Zweifel stiegen in mir auf, ob ich wirklich abreisen sollte.
Hatte ich nicht zu meiner Mutter gesagt, dass ich mich Yarid verpflichtet fühlte? War es dann nicht auch meine Pflicht zu bleiben und die Rätsel der letzten Nacht zu lösen? Mich gegen die Angst zu stellen? Wie viel Angst musste Yarid in den letzten Jahren, ja vielleicht Zeit seines Lebens erlitten haben? Hatte ich das Recht davon zu laufen?
Ich war nicht so dumm zu glauben, ich könnte ein solches Rätsel lösen. Aber … vielleicht sah ich Dinge anders als die anderen, vielleicht fiel mir etwas auf.
Und ganz, ganz leise flüsterte eine Stimme, das die Geschichte so, viel zu kurz wäre, um sie erzählen zu können.
Viel ist mir – wie zur Strafe – nicht mehr im Gedächtnis geblieben. So wenige Tage auch nur vergangen sind seitdem, bröckelt doch schon die Erinnerung und verblasst.
Catriona gab mir etwas von ihrer Wolle, um die Briefrolle zusammen zu binden. Ich ließ ihn unverschlossen, so persönlich er auch war. Als wir hinunter gingen, ich die Rolle in meiner Hand, musste ich schmunzeln. Yarid hatte mir einen Botenvogel angeboten. Es würde ein Adler sein müssen, der diesen Brief nach Ardais bringen könnte.
Kaum das wir in den sonnigen Hof getreten waren, kam Catrionas Bruder zu uns. Sein Blick war voller Sorge und er bot sich an uns von hier fort zu bringen. Er sprach sogar von Ardais. Ich beruhigte ihn, das Armida reichen würde. Was mich mehr beunruhigte war, dass es klang, als wollte er seine Schwester heim nach High Kinnally bringen. Was glaube ich weder Catriona noch ich wollten.
Colin wirkte entschlossen und zuverlässig, seine Besorgnis war ehrlich und trotz seiner Jugend vertraute ich ihm, was meine Sicherheit anbelangte. Meine Brüder, keine Frage, würden bleiben müssen, um alles zu klären. Ich wankte wieder, was meinen Entschluss zu bleiben anging, als ich Colin den Brief anvertraute und er versprach, seinen schnellsten Reiter damit loszuschicken. Und das er ihn den Boten auswendig lernen lassen würde, falls ihm die Rolle gestohlen werden würde. Ich wurde ganz rot, ob der Persönlichkeit des Briefes, doch konnte ich ihm dieses Angebot, dass er nur der Sicherheit halber machte, nicht ausschlagen.
Zeit verging und meine nächste feste Erinnerung ist wieder, dass wir erneut im Hof standen. Es wurde viel geredet, ich denke, auch diskutiert über Dinge die geschehen und entdeckt worden waren. Und Colin, der zuvor noch so voller Höflichkeit und Fürsorge gewesen war, gebahrte sich wie ein ungezogenes Kind. Mochte er die Wahrheit der Gedanken vieler Anwesender aussprechen, in der Art wie er es tat, machte er seiner Familie keiner Ehre. Sein Onkel sah das wohl ähnlich und versuchte ihn mit Worten zur Fasson zu bringen. Vergebens. Er lief nur umher und pöbelte, wie es wohl nur ungepflegte Betrunkene tun.
Ich konnte nicht weiter zusehen, wie er Catriona mehr und mehr vor Scham im Boden versinken ließ. Er stand ihm Hof, und man hatte ihn umringt, doch keiner schien nach Dom Varzil den Mut zu haben, ihn in seinen Reden zu stoppen. Also sammelte ich meinen Mut und trat vor ihn. Ich gemahnte ihn, sich an seine Manieren zu erinnern. Er sagte mir nur, mit dieser unflätlichen Art, dass er doch nur die Wahrheit spreche, zu der jeder andere zu feige sei. Was diese Wahrheit, die er aussprach, eigentlich war … ich weiß es nicht mehr. Ich könnte den Wortlaut nicht wiedergeben. Ich gemahnte ihn weiter, er würde die Ehre seiner Familie nur schädigen und er solle sich mäßigen. Doch das tat er nicht. Er brachte mich in Rage, denn er beleidigte nicht nur sich selbst mit seinem Verhalten, sondern auch seine Schwester, die mir lieb und teuer ist. Es klang abstrus dies einem Mann von achtzehn Jahren mit Frau und Kind zu sagen, doch er benahm sich wie ein Kind. Und ich schlug ihm vor, er solle sich doch zurück ziehen bis er im Stande war, wieder klar zu denken. Er reizte mich so sehr, dass ich nahe dran war, ihm eine Ohrfeige zu verpassen. Doch ich wahrte meine Fassung und tat ihm die Schmach nicht an, von einer Frau geschlagen zu werden.
Wütend stampfte er davon, versuchte sich mit Dom Corran anzulegen. Es gab ein Gerangel und ich sah, wie ein Schwertknauf sich erhob, nieder fuhr und Colin zusammen brach. Auch die Rückseite eines Schwertes kann eine klug eingesetzte Waffe sein. Es war noch mehr Gerangel und Unruhe, bei der mir Dom Fionn Colins Schwert in die Hand drückte mit der Weisung, es aus seiner Reichweite zu bringen. Ich tat, wie mir geheißen, doch war ich zu unruhig, um mich gänzlich zurück zu ziehen. Das Schwert mit gespreizten Fingern in der Hand eilte ich die Treppe zur Halle hinauf und beobachtete von dort aus sicherer Entfernung, was unten geschah. Sie brachten Colin hinein. Er war wieder wach, rief voller Wut und verlangte nach seinem Schwert. Ich versteckte es so gut es ging hinter mir, doch er blickte nicht einmal die Treppe hinauf, um mich zu bemerken.
Mein Herz jagte wie wild von der Aufregung. Es pochte und pochte in meiner Brust und verlangte nach Ruhe, obwohl ich mich nach Möglichkeit am Rand von allem gehalten hatte. So sehr in der möglichen Aufmerksamkeit zu stehen … und was, wenn Colin sich vollkommen vergessen hätte, während ich ihn zurecht wies und den Worten nahe war, die ihm kurz darauf jemand anderes sagte? „Wenn Ihr euch nicht zu benehmen wisst, dann schicken wir euch … ins Bett!“ Hätte er die Hand gegen mich erhoben?
Das Schwert musste weit fort von Colin gebracht werden. Immer noch sehr vorsichtig trug ich es fort und versteckte es in meinen Räumen. Dort würde sicherlich niemand ein Schwert vermuten. Trotz des noch frühen Tages war ich viel zu erschöpft und aufgewühlt und brauchte Ruhe.
Wie lange ich geruht habe, kann ich nicht sagen, doch einiges war geschehen, was ich mir von Domna Irmelin erzählen ließ. Ich versuchte all diese Dinger zu ordnen und einen Sinn zu finden. Es war schwer. Es brauchte, bis das ich die gröbsten Dinge begriff. Ich lauschte wieder den Diskussionen darüber, wer alles mit in einen Kreis gehen sollte, um in der Oberwelt nach jener Präsenz zu suchen, die man gespürt hatte. Mein Kopf begann zu arbeiten und ich erinnerte mich an Dinge aus meiner kurzen Zeit in Arilinn und was Coryn bei Gelegenheit erzählt hatte. Vorsichtig hob ich den Finger, um meinen Beitrag zu leisten.
„Ich … erinnere mich, dass mein Mann sagte, dass man nur drei Personen bräuchte, um in die Oberwelt zu gehen“, brachte ich unsicher hervor und war verwirrt, das man mir zuzuhören schien. „Jenen er geht, einen, der ihn überwacht und einen, der ihm als Anker dient.“
Jetzt erinnere ich mich auch wieder, dass man mich am Morgen gefragt hätte, wie gut mein Laran sei und meine Ausbildung, den sie würden wohl jeden Telepathen mit einer Ausbildung in einem Kreis benötigen.
Ja, ich erinnere mich wieder daran. Und wie sehr ich Ruhe bewahren musste. Ich wollte nicht hysterisch werden, weil man vielleicht von mir verlangen würde, mein Laran zu benutzen oder gar meine Gabe anzuwenden. Allein schon der Gedanke lässt die Angst in mir aufsteigen. Mich in Gedanken mit Cationa oder Coryn oder anderen eng vertrauten Menschen zu unterhalten, ist eine Sache. Und die meistere ich recht gut. Alles andere … Früher war ich unsicher. In den letzten Jahren bin ich nicht nur unsicher, sondern gar panisch. Aber kein Wort davon, was sie da von mir zu verlangen mochten, kam über meine Lippen. Statt dessen lächelte ich und gab die Unfähigkeit, die man mir im Turm von Arilinn attestiert hatte, zu.
„Vor sechszehn Jahren erhielt ich meine Grundausbildung von 40 Tagen im Turm von Arilinn. Man gab mir nicht den Rang eines Überwachers, wie ihn eigentlich jeder erlangt, als ich den Turm verließ. Sie sagten es nicht, aber ich wusste das sie es dachten: ‚Geh, heirate und bekomme Kinder - und betrete nie wieder einen Turm!’ Es wäre unklug, mich in einen Kreis nehmen zu wollen. Es sei den ihr wollt durch Fingerschnippen irritiert werden.“
Vor einer Leronis zu stehen, die zudem eine Nedestra meiner Familie ist, und dies zu gestehen ist nicht leicht. Und ich habe sicherlich nicht voller Stolz das Kinn gereckt bei diesen Worten. Aber danach hat mich niemand mehr gefragt, ob ich mich an einem Kreis beteilige. Worüber ich sehr dankbar war.
Da war ein Kind gewesen. Ein Kind der Köchin, das Dom Fionn interessierte und festzustellen versuchte, wer der Vater war. Er zählte die Finger des Kindes. Eins, zwei, drei, vier, fünf… sechs. Sechs Finger. Er nannte Aillard. Ich dachte Ardais und suchte nach Yarid. Es gab irgendwelche Unruhe doch es gelang mir ganz kurz mit Yarid zu sprechen und mir Sicherheit zu verschaffen.
„Yarid, das Kind hat sechs Finger. Wie so oft bei den Ardais.“
Sein Blick blieb nur kurz auf mir ruhen und das reichte mir eigentlich schon.
„Das ist nicht möglich. Sie kam schon schwanger hier her.“ Von Greenscarp, wie ich irgendwann hörte. Daher Dom Fionns Interesse. Ich war mehr als nur erleichtert.
Doch alles unnötige Sorgen. Der Vater des Kindes stammte weder aus Aillard, noch aus Ardais. Sondern vom Schönen Volk.
Amelie, die Köchin, sprach es in meiner Gegenwart nicht selbst aus, doch Leronis Melissandras Fragen waren dorthin gerichtet, als sie die Köchin wegen des Kindes, des Vaters und des Steines, den dieser Amelie geschenkt hatte befragte. Ich erbat mir, das Kind halten zu dürfen. Es war so lieblich, klein und zart. Mein Herz wurde mir schwer und schmerzte mich, dass so lange schon keine eigenen Kinder mehr in meinen Armen gelegen hatten. Es fiel schwer, das Kind der Mutter wieder zurück zu geben, doch ich musste, ehe mich der Kummer überfiel.
Nach etwas frischer Luft stieg ich hinauf in die Halle, wo man anscheinend wirklich meinen Worten folgte und nur in einer sehr kleinen Gruppe in die Oberwelt ging. Auch wenn sie zu viert statt lediglich zu dritt waren. Doch hatte ich nicht mitbekommen, was besprochen und entschieden worden war, dass sie dies Taten.
Es war Melissandra Acosta, die das Wagnis einging, nach der Präsenz des Bösen in der Oberwelt zu suchen. Ich halte sie für diese Tat für überaus tapfer. Man kann mir noch so oft sagen, dass in Türmen für Mann und Frau in ihrer Arbeit kein Unterschied besteht außer bei der des Bewahrers. Ich kenne meine Schwächen, die ein Mann nicht haben würde. Ich sah Amando Ridenow als Überwacher in dem kleinen Kreis, ich glaube Julianna unterstützte ihre Mentorin, beim vierten in der Runde bin ich mir überhaupt nicht mehr sicher, wer es war. Ich kann mich auch in allem außer Melisandra irren.
Als Melisandra aus der Oberwelt in ihren Körper zurück kehrte lauschten wir aufmerksam ihrem Bericht. Sie sprach von einem Mann in dunklem Mantel, ausgemergelt und kränklich wirkend. Auch sprach sie von einer Frau, die dort gefangen war. Ich hatte genug gehört und auch von meinem Bruder Errol Finn erzählt bekommen, um zu begreifen, dass es jene Geliebte Yarids war, die in der Matrix an seiner Harfe gelebt hatte. Zumindest hatte ich das so verstanden.
Es gab ein geistiges Abbild einer Matrix oben in der Oberwelt, die sich hier befand und die für die Veränderungen in Colin verantwortlich war. Sie beherrschte angeblich ihren Träge oder jene, die sie berührten. Ramon sollte in der Zeit, in der ich geruht hatte, auch unter ihrem Bann gestanden haben. Es war äußerst verwirrend all diese Dinge zu verbinden und Klarheit zu gewinnen. Zumindest war diese Matrix ein Tor, ein Weg, wie diese Präsenz der Bösartigkeit Macht in unserer Welt erlangen konnte. So folgerte man in der folgenden Beratung. Es wurde viel besprochen, dem ich im Sinn nicht folgen konnte und das mir inzwischen schon wieder gänzlich entfallen ist.
Die Musik schien ein Schlüssel zu sein. Die Präsenz schien sich auf Yarids Harfe mit dem Matrixstein zu konzentrieren und sie zu benutzen. Man schmiedete einen Planen, die Präsenz zu überlisten, die so dringlich wohl einen Körper beherrschen und übernehmen wollte, um so Macht in unserer körperlichen Welt zu erhalten. Eine Aussage, die Melisandra aus der Oberwelt mitbrachte, beunruhigte mich. „Er will sie!“ habe Melisandra erfahren. Die meisten bezogen es auf Alâyra, Yarids Chieri-Geliebte. Doch ich zog andere Schlüsse für mich selbst aus allem gehörten. „Sie“ war keine Person, „Sie“ das waren wir, die Comyn. Den nach allem, was ich gehört hatte, befiel die Matrix, die das Wesen nutzte nur Comyn, nur Laran-begabte. Es suchte jene, die starkes Laran hatten. Dom Corran hatte sich ihm derart wiedersetzt, das er den Tod fand, vermutete ich. Colin Storn? Ich kenne sein Potential nicht, aber es wird wohl nicht unerheblich sein. Mein Bruder Ramon mit seiner Gabe und seiner Ausbildung.
Nur sehr kurz fiel die Überlegung zur Beseitigung des Problems. „Zerstört die Matrix“ Das war auch mein Gedanke, einfach und klar. Für mich klang es, als sei diese Wesenheit auch in der Matrix. Zerstört sie und ihr zerstört sie, denn sie kann ohne seine Matrix nicht leben. So wie auch jeder Comyn mit einer Matrix stirbt, wenn jemand Fremdes außer einem Bewahrer sie berührt oder sie sogar zerstört wird. Dafür brauche ich nicht die Ausbildung eines Bewahrers, um dies zu wissen. Das lehren uns bereits die Märchen, welche uns unsere Ammen am Kinderbett erzählen.
Aber diese Idee wurde gar nicht erst fortgeführt. Und ich kam mir kaltherzig vor, das sich mit meiner Überlegung jegliche Möglichkeit verschloss Alâyra aus der Gefangenschaft der Oberwelt zu befreien. Und es würde andere Wege und Möglichkeiten für das Wesen geben in unsere körperliche Welt zu gelangen und die Macht zu erhalten, die es wollte.
Also plante man es zu überlisten. Mit der Musik, die es so anzog. Und dem Starken Laran, das es so sehr zu schätzen und zu benötigen schien. Der Plan war eine Abfolge von aneinander gereihten „Wenn … dann“, wie Domna Irmelin treffend feststellte. Es waren alles Überlegungen, von denen niemand den Beweis liefern konnte, dass es auch so funktionieren würde. Und sie wollten dies alles hier in diesem Haus tun, nicht in der sicheren Umgebung eines Turms und einer abgeschirmten Matrixkammer.
Ich schmunzele, während ich dies gerade diktiere und mir bewußt wird, wie viel ich doch von meinen 40 Tagen im Turm vor 16 Jahren behalten habe. Oder wie viel von kleinen Gesprächen über Turmarbeit mit Coryn mir im Gedächtnis bleibt, bei denen ich oft nur Zuhörerin war.
Obwohl Dom Octavian nicht anwesend war, überlegte man, das er als Hastur mit der Gabe seiner Familie die größte Verlockung für das Wesen sei, mit dem man es zu überrumpeln gedachte. Zudem ist er ein begabter Lautenspieler. Dom Corran hätte sich sicherlich angeboten, doch hielt man es für zu gefährlich, ob seines Larans, von dem nur gemunkelt wird ohne das jemand wirklich etwas darüber weiß. Ich hätte Ramon für die bessere Wahl gehalten. Er ist diszipliniert, besitzt starkes Laran und spielt ebenfalls gut die Laute. Doch war man sich seiner unsicher, da er bereits ‚besessen‘ gewesen war.
Domna Irmelin war – für mich verständlicher Weise – nicht erfreut darüber, das so über ihren Gemahl und über einen Hastur bestimmt wurde, der nicht einmal anwesend war. Die anderen mochten sie für arrogant halten, für eine egoistische Hastur, aber ich wiederum fragte mich, ob einer der anderen auch nur für einen Moment darüber nachdachte, wie es ihr ergehen musste? War einer von ihnen seiner eigenen Familie, seinem Gemahl, seiner Gemahlin, Kindern nicht so eng verbunden, dass er sich um seine Sicherheit sorgte?
Würden sie an ihrer Stelle einfach die Überlegung abnicken und gut heißen, dass man den geliebten Gemahl einem möglichen Tod oder schlimmerem aussetzte? Irmelins Worte mochten harrsch wirken, doch hätte ich ähnlich gehandelt, würde man wollen, das ich meinen Gemahl derartigem aussetze. Domna Irmelin hat jedoch mehr stärke als ich. Sie sprach offen und klar, wo ich vielleicht nur in Tränen der Angst und Verzweiflung ausgebrochen wäre.
Der Plan wurde geschmiedet, wie man das Wesen überlisten und einfangen und Alâyra nach Möglichkeit retten konnte. Sollte der Weg fehl schlagen, und das Wesen nicht in die Laute von Dom Octavian gebannt werden können und in Yarid fahren, würde Dom Fionn Yarids Leben ein Ende setzten. Damals dachte ich, es sei, damit das Wesen in Yarid kein Unheil anrichten konnte. Heute glaube ich zu wissen, dass dies geschehen sollte, um eine „Rückstellung der Zeit“ wie wir sie nach Dom Corrans und Yarids Tod erlebt hatten erneut herbei zu führen und es uns so zu ermöglichen, erneut gegen das Wesen anzugehen. Denn starb Yarid, nutzte Alâyra ihre Macht und Stärke als Chieri in der Oberwelt, die Zeit zu verändern. Wie ihr das gelang, wird wohl für alle Zeit ein Rätsel ihres Volkes bleiben.
Domna Irmelin erklärte sich ablehnend bereit, ihren Gemahl auf unseren Plan anzusprechen.
Ehe es aber weitere Aufregungen und Anstrengungen gab, hatte das kluge Personal ein köstliches Mahl bereitet, das es nicht zu verschmähen galt. Es stärkte einen jeden von uns und gab uns die Möglichkeit Gedanken und Gemüter zu ordnen und zu beruhigen. Oft ist es klug zurück zu treten und Dinge von der ferne zu betrachten. Andere Blicke zeigen andere Wege und Ansichten.
Nach dem Mahl setzte sich Domna Irmelin mit ihre Gatten zusammen. Ihm wurde vorgetragen, was der Plan war und wie Domna Irmelin gab er auf seine ganz eigene Art zu bedenken, dass der Plan gespickt war mit „Wenn’s“. Ein Elhalyn hätte sicherlich über die vielen Möglichkeiten, die sich aus diesen ganzen „Wenn“ ergeben, den Verstand verloren. Seine Skepsis war äußerst verständlich. Und auch der leichte Spot in seiner Stimme als er für Nachzügler in diesem Gespräch genau dieselbe Frage noch einmal beantworten sollte, die er uns gerade erst dargelegt hatte. Er ließ uns mit seinen Worten wissen, dass das Risiko für ihn äußerst hoch war und er große Bedenken über den Erfolg des Plans hatte. Letztlich sprach Yarid die förmliche Bitte aus, das er bei diesem Vorhaben behilflich sein würde und diese äußerst wichtige Position einnehmen würde. Sicherlich war das nicht exakt Yarids Worte. Aber sie entsprechen dem Sinn, das Dom Octavians Verhalten und Worte auch nach dieser Bitte verlangten.
Ich hielt die Situation nicht für angespannt. Dom Octavian hatte trotz seiner Bedenken neugierig und abenteuerlustig gewirkt, was Domna Irmelins Unmut erklärte. Doch als Dom Octavian auf Yarids Bitte antwortete hatte ich das Gefühl die Luft sei zum zerreißen gespannt.
Was genau sagte er? Ich kann es nicht wirklich wieder geben.
„Wenn ich dies tue, dann möchte ich wissen, dass meine Frau und meine Kinder versorgt sind“, waren in etwa seine Worte. Ich glaube ein jeder von uns hat seine Worte so verstanden, wie sie auch Yarid verstanden haben musste. Das er finanzielle Zuwendungen von uns für seine Frau und seine Kinder verlangte. Dass er seine Hilfe verkaufte. Das er sie nicht geben würde, wenn das Angebot nicht hoch genug war. Worte, die nicht gesprochen wurden, doch die man aus seinen Worten und seinem Tonfall heraus verstand.
Ein jeder von uns hielt wohl die Luft an – und dann platzte es aus Yarid heraus, dass er die Matrix auch gut auf Hastur-Land abladen könne und sie sich dort ihre Opfer suchen könne. Sicherlich keine klugen und diplomatischen Worte, eigentlich ein Faux-Pas so etwas zu einem Hastur zu sagen … aber…. Wie nur soll ich es umsichtig formulieren. Yarids Zorn war verständlich, doch hätte er sich wohl zügeln müssen. Die Worte und der Ton hätten ein anderer sein müssen, um Dom Octavian zu verdeutlichen, dass er selbst unerhörtes verlangte. Sollte er als Hastur, als Bruder des Königs und zweiter in der Thronfolge der Hastur von Hastur nicht ausreichend versorgt sein, ging es mir durch den Kopf.
Nach Yarids Worten war die Spannung in der Luft greifbar. Und Verwirrung herrschte. Ehe Domna Irmelin die Bedeutung der Worte ihres Gattens für uns deutete. „Versorgt mit Freunden, die ihr zur Seite stehen, wenn er nicht mehr ist.“
Ich kam mir so dumm vor, als Domna Irmelin dies mit tapferer Stimme sagte. Sie würde alles verlieren, was sie liebte, wenn der Plan scheiterte. Sie würde alleine mit den Kindern in der Welt stehen. In Thendara.
Es war keine Überlegung für mich, ihr zu bestätigen, das ich ihr als Freund beistehen würde. Ich kam mir schlecht vor, dies nicht aus Dom Octavians Worten verstanden zu haben. Aber ich glaube, das ging in der Unruhe unter, die entstand.
Dom Octavian erklärte sich bereit, seinen Platz in dem geschmiedeten Plan einzunehmen. Domna Irmelin wirkte elend. Aber auch mit einem gewissen Zorn, wie ich fand. War es Zorn auf uns, die wir ihren Gatten dazu gedrängt hatten? Oder auf ihren Gatten, das er dieses Wagnis einging? Vielleicht war es beides.
Ich wollte sie trösten und ihr beistehen, doch ich merkte schnell, dass sie mit ihrem Gemahl alleine sein wollte. Zu persönlich waren diese Augenblicke, die vielleicht die letzten mit ihm sein mochten.
Ehe der Kreis begann bat man mich erneut – dieses Mal war es nicht Áine – mich ihm anzuschließen. Ebenso fragte man Catriona. Wir beide lehnten es ab, da unsere Ausbildung zu ungenügend wäre und wir dem Kreis mehr schaden als nützen würden. Doch sonst war fast jeder Comyn teil dieses Kreises. Dom Corran blieb wie Catriona und ich außerhalb und nahm keinerlei Funktion ein. Sie nahmen selbst die Begleiterin von Dom Varzil Storn von Callarma in den Kreis, die meines Wissens keinerlei Ausbildung genossen hatte. Domna Irmelin sah ebenfalls davon ab, Teil des Kreises zu werden, da ihre Gemütsverfassung aus Sorge um ihren Mann ebenfalls dem Kreis nur schaden konnte. Doch man benötigte sie und ich habe großen Respekt vor ihr, dass sie all ihre Angst und Sorge meisterte, um in diesem Kreis zu dienen. Doch ist ihr Können und ihr Talent auch größer als das meine. Aber war sie es, die sich zwischen meinen Bruder Ramon und ihren Gemahl schaltete, um ihre Gaben im Kreis harmonieren zu lassen? Auch wenn Dom Octavian nicht wirklich Teil des Kreises war, so wie es Yarid nicht war. Aber sicher bin ich mir nicht. Dieser Kreis übersteigt all mein Denken im Bereich der Laranarbeit.
Dom Octavians geschworener Bruder Alastair Castamir nahm hinter Dom Octavian Aufstellung, um ihn zu schützen und zu bewahren und auch um die Saiten der Laute zu durchschneiden, wenn das Wesen darin gefangen war, wie es der Plan war.
Dom Fionn wiederum bezog Position hinter Yarid, dass Messer in seiner Hand und halb an Yarids Kehle, glaube ich. Damisela Leandra und Domna Aliciane dienten dem Kreis als Überwacher.
Wir anderen, die nicht Teil davon waren, konnten jetzt nur noch abwarten, hoffen und die Götter um ihre Gunst und Unterstützung bitten. Catriona und ich hielten uns an den Händen und bangten und fieberten. Wir hielten unsere Gedanken so gut es ging verschlossen um mit ihnen den Kreis nicht zu stören. Der erste Versuch, einen Kreis zu bilden scheiterte, doch dann fiel er nicht wieder auseinander.
Ewig kam es mir vor, bis ich das reißen von Saiten hörte, der Kreis sich mit Keuchen auflöste, Hektik entstand und die Laute in Isolierseide eingeschlagen wurde. Yarid begann zu lachen und umklammerte seine Harfe. Es brauchte kein Wort gesprochen zu werden, um mir zu sagen, dass der Kreis Erfolg gehabt hatte.
Catriona und ich eilten umher, um Nüsse und Süßes zu reichen, damit man sich nach dem Kreis stärken konnte. Einige waren erschöpft und auch verwirrt. Von Coryn weiß ich, dass es äußerst schwer ist, einen Kreis aus unbekannten Personen zu formen und zu halten. Für einen sicheren, effektiven Kreis braucht es Zeit und den Aufbau von Vertrauen. Was dieser Kreis geleistet hatte, ganz ohne den Schutz einer Matrixkammer, war bemerkenswert.
Yarid war aufgewühlt vor Freude, das Alâyra wieder bei ihm in Sicherheit war und keine Gefangene mehr in der Oberwelt. Es war viel Trubel, doch gelang es mir ihn kurz in den Arm zu nehmen und ihm zu zuflüstern, das ich mich für ihn freue. Er hat dieses Glück verdient, auch wenn kaum jemand sonst das glaubt – oder ahnt.
War es gleich nach diesem Kreis oder nach einer kurzen Erholung, das Ramon oben in der Halle für seinen Lord sprach? Lord Esteban Alton von Armida erkannte die Adoption Yarids durch Yannis Alton von High Chapel an und bestätigte ihn als seinen Erben. Unter der Bedingung, dass er eine Tochter aus dem Hause Alton ehelichte.
Die Blicke kreuzten sich und der logischste Gedanke wäre es, wenn Yarid Onkel Yannis anerkannte Nedestra Áine heiratet. Es würde ihr auch den Wunsch erfüllen, für ihr Heim zu sorgen, in dem sie aufgewachsen ist. Ich bin mir aber nicht so sicher, ob dies der Weg war, den sie für sich sieht. Yarid gab zu bedenken, nein, er sprach offen, dass mit diesen Ereignissen hier, doch sicher auch jeder Frau, die er ehelichte, klar wäre, dass es eine … komplizierte Dreiecksbeziehung mit Alâyra sein würde. Doch er formulierte es geschickt, finde ich, dass es etwas überaus positives sein würde und er jeder körperlichen Ehefrau an seiner Seite mit großem Respekt begegnen würde. Soll die Ehefrau zufrieden oder enttäuscht sein, dass die Geliebte ihres Gatten nur eine Harfe ist? Sie wird ihr die offizielle Stellung an der Seite ihres Gatten sicherlich nicht streitig machen.
Zumindest war Yarid mit den Bedingungen einverstanden. Und anstatt Ramon noch der Braut zu fragen, die der Lord vielleicht bevorzugen würde, packte er „Tante Elaine“ unter den Arm, um mit mir zu besprechen, welche Braut in Frage käme. Doch seltsamerweise wurden wir wieder und wieder unterbrochen. Für mich stand außer Frage, das eine Hochzeit bald geschehen muss. Und ich halte Áine immer noch für eine gute Wahl. Niemand zog Estebans Töchter in Betracht, denn dies wäre vielleicht wirklich etwas vermessen. Statt dessen zog ich Mikhails und Deionoras Tochter Felicia in Betracht. Was Deionora missfiel, genau wie Domna Aliciane sich vehement dagegen wehrte und ihre Ablehnung kund tat, ihre Tochter Maellen überhaupt im Dienste der Familie Alton zu verheiraten. Das sprach sie nicht aus, doch ihr Blick war der einer Mutter, die mir die Augen auskratzen würde, wenn ich auch nur weiter spräche.
Deionoras Ablehnung legte sich etwas, als sie Bedingungen für eine mögliche Ehe von Felicia mit Yarid nannte. Nicht ohne mir zuvor unter die Nase zu reiben, ich könne Alisa doch mit ihm verheiraten. Was sollte ich darauf anderes antworten, als ich ihr bereits bei unserer Anreise gesagt hatte, dass Alisa doch erst zwölf Jahre sei. Deionora hält das anscheinend für alt genug, ein Mädchen zu verheiraten. Mag es in der Familie der Leyniers so gehalten werden, meine Töchter werde ich erst mit 15 in eine Ehe geben. Nun, was war Deionoras Bedingung? Das Alisa ihren Sohn Raffael heiratet. Ich sträube mich so vehement dagegen, wie sich Domna Aliciane gegen eine Heirat ihrer Tochter in die Familie ihres Vaters sträubt. Es macht mich vorsichtig und misstrauisch, das Deionora so sehr darauf pocht und mich zu beschwatzen versucht. Ist sie gar darauf aus, sich selbst und ihrem Sohn Alisas große Mitgift zu sichern? Will sie mit Alisa Raffaels Anspruch als möglicher Erbe von Alton bestärken, wenn Esteban keinen Sohn bekommt? Es hat mich misstrauisch gegen meine Schwägerin gemacht, dass sie meine Tochter schon so jung verheiraten will und ihre eigene Tochter nicht unter die Haube bringt.
Da es nicht genügend Ruhe gab, verschoben Yarid und ich die Auswahl von möglichen Kandidatinnen ohne dass wir es absprachen.
Es war ein langer und anstrengender Tag gewesen. Das Rätsel war, so gut es möglich war gelöst und die Gefahr gebannt. Yarid würde dieses Gut behalten und einen Namen erhalten, auch wenn es nicht der seines leiblichen Vaters war. Auch wenn ich nichts aktiv zu dem allem beigetragen hatte, war ich euphorisch und zufrieden. Mein Wunsch, das Yarid dieses Gut behielt war erfüllt. Oder zumindest so gut wie. Die Angst vom Morgen war jetzt, in der Dunkelheit der Nacht, vergangen. Alles war überstanden.
Dachte ich.
Doch irrte ich mich darin.
Yarids im Affekt zu Dom Octavian gesprochene Worte blieben nicht gänzlich ohne Folge. Die Hasturs verlangten nach einer offiziellen und ehrlich vorgebrachten Entschuldigung bei Ramon. Ramon, die Hasturs und Yarid unterhielten sich darüber ohne, das ich es ganz bemerkte und nur ein paar Schritte entfernt in ein anderes Gespräch vertieft war als Ramon sich zu sich rief.
Dinge wie dieser Faux-Pas oder auch so mancher andere, den Yarid sich geleistet hatte, sollten sich nicht mehr wiederholen und der Familie Alton, der Yarid nun angehören würde, Schande bereiten. Er würde lernen müssen, sich unter den Comyn zu bewegen und zu benehmen. Ob ich diese Aufgabe nicht übernehmen würde, fragte er mich.
Er fragte mich, aber ich bin trotz meiner Verheiratung nach Ardais immer noch genug eine Alton um zu wissen, wann es eine Bitte ist, die man nicht abschlägt. Ich sprach die von mir erwarteten Worte, dass es mir eine Ehre sei, Yarid in die Umgangsformen einzuweisen. Und ich tue es auch gerne, denn ich mochte Yarid und auch der Familie keine Unannehmlichkeiten bereiten. Doch kurz darauf begann ich schon zu überlegen, ob es nicht zu Problemen führen würde? Ich schob es fort von mir, auf später, wenn ich daheim war.
Denn Dom Octavian verlangte seine Entschuldigung von Yarid. Hoch offiziell und vor Zeugen. Yarid nahm es mit viel Würde hin, vor ihm das Knie zu beugen und die Worte der Entschuldigung auszusprechen. Es zeugt in meinen Augen von viel Stärke, dies zu tun. Manch ein anderer in der Runde hätte sich vermutlich eher das Leben genommen statt vor einem Hastur zu puckeln. Doch Yarid hat nicht den Stand, diese Wahl zu haben – oder diese Möglichkeit zu sehen.
Die Art, wie Dom Octavian die Entschuldigung annahm – mit vorgestreckter Hand, als wolle er, das man ihm einen heiligen Ring küsse oder den Handkuss, den Yarid ihm dann gab – zeigte mir ein Bild auf einen Dom Octavian, der mir neu war. So neu wie jener, der die fordernde Bitte nach käuflicher Unterstützung verlangte. Es verwirrt mich, kenne ich ihn doch nur als einen mir freundlichen Menschen.
Danach … danach zog man sich bald zurück und versuchte bei geistigen Getränken Entspannung von all der Aufregung zu finden.
Und ich bin nicht nach Armida mit meinen Brüdern und Deionora zurück gekehrt. Stattdessen verweile ich hier. Mir obliegt es, Yarid zu unterweisen, wie sich ein Comyn zu benehmen hat. Probleme aus dieser Pflicht, die ich aus Loyalität für die Familie aus der ich stamme angenommen habe, entstehen, werden zu lösen sein, wenn sie auftreten.
Mögen die Götter gnädig auf unser Tun blicken.
Und auch du, mein lieber Gemahl.
Ende
Auszüge aus dem Tagebuch von Fionn di Asturien
Heute kam Botschaft von Yarid aus High Chapel.
Das ist keine Notiz, sondern wirklich eher eine Überschrift, denn seit am Vormittag der Brief eintraf beschäftigt er jeden Kopf auf GreenScarp.
Unter den Soldaten ist die Stimmung leicht beschwingt, denn der eine oder andere macht sich Hoffnung darauf, zur Eskorte ausgewählt zu werden und so der Eintönigkeit der täglichen Wachschichten zu entkommen. Die Auswirkungen sind wie immer, die losen Soldaten Zungen halten sich erstaunlich zurück und die Nachlässigkeit in den Pflichten haben um ein gutes Maß abgenommen. Hauptmann Erald nimmt dies mit befriedigter Miene hin und witzelte mit Rhodri darüber, das man viel häufiger derartige Einladungen erhalten sollte... und ob dieser nicht einfach ab und an behaupten könne, es gebe eine solche. Es würde das Aufrechterhalten der Disziplin so viel einfacher machen. Recht hat er.
Allerdings sollten wir dann auf Einladungen hoffen, die unsere Köchin nicht gleich als einen Affront ansieht. Anilda nämlich erinnert High Chapel nur an den Verrat, den eines der Küchenmägde vor etwa zwei Jahren an ihr begangen hatte. Amelie, deren Familie schon seit Generationen den GreenScarps verpflichtet ist und bislang treu diente, hatte sich, als wir damals Mairi mit heim gebracht hatten, entschlossen. Anildas Fuchtel zu entkommen und auf ein anderes Pferd zu setzen. Soweit die Gerüchte es besagen, hat sie in High Chapel Stellung gefunden und versucht nun ihrerseits eine zweite Anilda zu werden. Derweil ist es in den Küchen und Hinterstuben GreenScarps ruhig geworden und das Essen heute Abend war nicht so bekömmlich wie wir es gewohnt sind.
(Fionn blickt aus den Seiten seines Tagebuches auf, nimmt sich einen kleinen Fetzen Pergament und notiert darauf in seiner üblichen krakeligen Handschrift: Anilda – gut zureden und beruhigen. Dann schiebt er sich die Kerze etwas näher an sein Büchlein und konzentriert sich wieder auf sauberere und ordentliche Buchstaben.)
High Chapel – Yarid Ruyven, jetzt wohl Yarid Alton. Nicht von Geburtsrecht an, sondern aufgrund der Adoption durch Janis Alton... Ich bezweifle, dass, sollten wir uns wiedersehen, der neue Name ihn so sehr verändert hat.
Es dürfte jetzt zwei oder drei Jahre her sein, dass wir uns zum letzten Mal sahen. Es war auf High Chapel und reiner Zufall... oder die Kraft der dunklen Mächte, die uns dorthin getrieben hatten... Scheinbar ist es den Göttern nie möglich gewesen uns einfach so zusammen zu führen. Immer war es unter unguten Umständen und mit Leid verbunden.
Das Leid seiner Verbannung aus Asturien... das Leid an dem Kyju und Ayanu sich so ergötzten...
(Die Schrift beginnt zu zittern und Fionn setzt die Feder ab, seine linke Hand schmerzt, er reibt sie, hebt den Kopf und starrt in die Nacht hinaus... Kyrrdis, Liriel und Mormalor geben genug Licht um den Hof mit einem Schattentanz zu füllen. Fionn sieht einen Soldaten die Runde über die Mauer drehen. Die Furcht, die die Gedanken bringen, drängen sich zurück. Dies ist GreenScarp, ruhig und sicher. Das war einmal anders, damals füllten Furcht und Sorgen diesen Ort und doch ist es zu einem sicheren Ort geworden...)
Corran ist nicht erfreut über diese Einladung. Kaum war sie verlesen, verschlossen sich seine Züge, er grummelte etwas halblaut in sich hinein und für den Rest des Tages gönnte er sich keinen ruhigen Augenblick und ließ mir keinen Gelegenheit mit ihm zu sprechen.
Jetzt ist er oben bei Aliciane...
Er geht mir aus dem Weg.
Er hat es mir wohl übel genommen, dass ich mich über die Botschaft freute. Es war unbedacht von mir, ich mag Yarid, und Corran kann in mir lesen wie in einem offenen Buch. Corran wusste sofort, das die Neugier mich lockt, das ich wissen will, wie es Yarid geht... wie es um seine Alâyra steht... ob er einen Weg gefunden hat mit sich und seinem Leben zurecht zu kommen.
Diese Gedanken sind nie ganz verschwunden, sie waren immer da und diese Einladung ebnet mir einen Weg. Sie ist eine Gelegenheit... und es lockt mich, ungeachtet dessen, dass ich auch nicht vergessen habe, was bei unserer letzten Begegnung geschehen ist. Corran wird es Naivität nennen, aber für mich hat es auch etwas mit Pflichterfüllung zu tun. Damals ließen wir Yarid allein...
Ich will wissen, ob es ihm gut geht oder ob ich noch etwas für ihn tun kann. Seine Hilfe hat meine Familie gerettet, hat Corran und mich gerettet. Mir erschiene es undankbar aus einfacher Angst vor Erinnerungen diese Einladung abzulehnen. Ich werde morgen mit Corran darüber sprechen, ob es ihm nun gefällt oder nicht... ich hoffe ich kann ihn dazu bewegen einzulenken.
Als ich am Morgen erwachte um Corran zu stellen und ihn darum zu bitten mich allein die Einladung annehmen zu lassen, war er schon lange fort. Er hatte Rhodri aus dem Bett geschmissen und sich mit ihm nach Lanister begeben. Vorbereitungen für den Herbstmarkt, mit diesen Worten hatte er seinen Aufbruch vor Aliciane begründet. Es stand nichts dergleichen an...
Bedrückte Stimmung beim Frühstück, dass ich nun zwangsläufig allein mit den Frauen und Kindern einnahm. Fianna hielt sich zurück, aber dunkle Schatten lagen unter Alicianes Augen... während Rakhaila ihre eigenen Pläne machte und sich schon auf der Jagd sah. Maellen, angestachelt von Rakhailas Munterkeit, wollte ebenso unbedingt mit auf die Jagd, zu Alicianes absolutem Missfallen.
An manchen Tagen denke ich, dass die Sorge um ihre Tochter übertrieben ist, aber diesmal stimmte ich ihr zu. Maellen sollte soweit es ging, zu ihrer eigenen Sicherheit niemals Altonschen Boden betreten. Wir können froh sein, daß Alton, die Familie ihres Vaters, bislang keine Ansprüche auf das Mädchen anmeldet.
Ehe die Situation gänzlich aus den Fugen geriet, nahm ich meine Frau beiseite. Es passte ihr nicht, wie so oft, sie hat einen Schädel aus aldaranschem Granit, aber sie ist immer noch nur ein Mädchen. Ich schlug ihr vor sich zurückzuhalten, bis ich und Corran entschieden hatten was zu tun sei.
Sie schrie mich an... Szenen mit denen sich dieses Buch hier, Seite um Seite füllt. Immer und immer wieder. Die gemeinsame Sorge um Laertes bleibt das einzige was uns wirklich verbindet, sie selbst bleibt mir fern... Ich habe viele Anläufe gemacht, aber sie schafft es, mich immer wieder von sich zu stoßen. Ich wünschte es gäbe einen Zugang, aber ich finde ihn nicht und eine dicke Metallkugel hängt an meinem Catenas-Band und bindet mich.
Im Grunde kann ich froh darüber sein, daß bislang nichts von ihren Affairen an die Ohren der Welt gelangt ist. So gut es geht, werden Schutzmäntel über das gebreitet, was hinter den Türen der Zimmer geschieht... Wie gut, das wir alle so geübt darin sind, Geheimnisse für uns zu behalten.
Ich habe Joric Aldaran versprochen mich zu kümmern und ich tue es, soweit sie es zu lässt... doch manchmal wünschte ich, die Kette, die uns aneinander bindet würde abfallen.
Wieder ein Moment, der mich hoffen läßt alleine der Einladung folgen zu dürfen. Es wäre auch ein Moment der Ruhe für die durch meine Frau gemarterten Nerven. Heute begreife ich, was Rascard so oft fort und in die Betten andere Frauen getrieben hat, deutlich besser... auch wenn die Dinge zwischen ihm und Loret heute besser zu stehen scheinen.
Für heute zumindest sehe ich keine Hoffnung, dass sich dies zwischen Rakhaila und mir auch einmal bessern wird.
Immer wenn sie mich ansieht könnte sie auch gleich durch mich durchgucken. Dann ist es oft, als wäre ich nicht der, der ich bin, sondern noch immer der Schafhirte, der Ombedrin... und ihr Kerkermeister.
Dabei sollte sie es eigentlich besser wissen, diese manchmal so verzogene, sture kleine Göre...
(Die Worte verschwimmen in ihren Krakeln und sind kaum noch leserlich...)
Gut das ich gestern abgebrochen habe, wenn ich meine letzten Worte nachlese, dann kann ich mich dieser heute nur noch schämen. Rakhaila hat es nicht leicht und mir sollte bewusst sein, dass ich es ihr auch nicht einfacher mache.
Sie muss mich nicht lieben, dass wäre zuviel verlangt... und wenn ich diesen Seiten meinen Zorn anvertraue, dann muss ich diesen auch eine Entschuldigung anvertrauen.
Zumal dieser Ausbruch vielleicht damit zu erklären ist, das Corran mich so im Regen hat stehen lassen. Er war den ganzen Tag fort und zog sich auch nach dem Abendessen gleich wieder mit Aliciane zurück.
Doch jetzt, zwei Tage nach der Ankunft der Einladung durch Yarid, hat sich das Problem scheinbar von alleine gelöst.
Corran will die Einladung annehmen und Aliciane möchte ihn begleiten.
Das verwundert mich schon sehr, aber Corran sah nicht so aus, als würde es an dieser Entscheidung noch irgendetwas zu rütteln geben. Ich werde mit ihnen gehen, wie immer und Fianna hat darauf bestanden, daß auch Rhodri uns begleitet.
Ich vermute sie denkt an unsere Sicherheit, denn was beim letzten Mal auf High Chapel geschah, soll sich auf keinen Fall wiederholen. Ich denke es wird zu verhindern sein, die damalige Erfahrung muss ich nicht wiederholen und so schnell wird mich auch nichts mehr in den Selbstmord treiben.
Ja, ich liebe Corran. Er ist ein Teil meines Herzens und ohne ihn bin ich nur ein halber Mann, wenn denn überhaupt. Aber ich weiß auch, dass ich die Frauen und Kinder nicht allein lassen kann... selbst wenn unser König, mein Onkel, sie nicht ohne Schutz ließe, so glaube ich doch fest daran, dass ich mich besser um sie kümmern würde. Ebenso wie um GreenScarp, das es zu bewahren gilt bis Liam (Joric) alt genug ist, es von seinem Vater zu erben... und was würde aus Aldaran werden, wenn Rakhaila und Laertes nicht mehr geschützt werden? Was aus Stella, die nur mich hat?
Ich habe einmal, aus Dummheit und Verzweiflung in eigener Verantwortung an der Pforte des Todes gekratzt, aber ein zweites Mal wird dies nicht geschehen. Das haben mich die Tage auf High Chapel gelehrt und vor allem die warmen Worte Elenors von Ridenow.
Die nächsten Tage bis zur Abreise werden mit einigen Vorbereitungen gefüllt sein... ich weiß nicht wie oft ich mich da noch meinem Tagebuch widmen kann. Also sei nicht böse, wenn ich dich ein wenig vernachlässige.
Morgen werden wir abreisen. In den letzten Tagen kamen dem einen oder anderen immer wieder kurze Momente des Zweifels, aber nichts, was den Entschluss wieder Rückgängig gemacht hätte. Auf meinen Botenvogel gen Asturias an den Hof, kam heute, gerade rechtzeitig noch Antwort. Aus Königin Arielles Mund, wie ich es schon beim versenden vermutet hatte. Sie ist ein wenig pikiert das der König selbst keine Einladung erhielt... aber bereitwillig berichtete sie von allen Neuigkeiten, die sie über Alton hatten. Es war nichts dabei, das gegen eine sichere Anreise sprach, es gibt nur Gerüchte, das einige illustre Gäste vermutet werden... trotzdem, oder gerade deshalb, konnte sie es sich natürlich nicht verkneifen, als letztes hinzu zusetzen, wir sollen ihnen keinen Schande machen.
Wie immer werden wir uns natürlich darum bemühen...
Gestern waren wir auf Corrans Gestüt um ein Gastgeschenk für Yarid auszuwählen. Es wurde eine hübsche, ein wenig heißblütige aber kräftige Stute. Kindra und Beron geht es gut und der Junge freut sich und Stella ist gesund und munter.
Wenn wir wiederkommen, werde ich Stella in die Burg mitnehmen. Es wird Rakhaila nicht gefallen, aber es kann vielleicht nicht schaden, meiner Frau unter die Nase zu reiben, dass ich durchaus in der Lage bin Kinder zu zeugen.
Eigentlich bin ich ja ein netter Mensch, aber mein Leben mit Corran hat mich durchaus gelehrt, dass es manchmal nicht schaden kann in die Trickkiste zu greifen. Vielleicht ist es an der Zeit zurück zu beißen. Das Rakhaila zurückbleiben muss, hat seine Gründe. Zeit ihr dieses mal wieder ins Gedächtnis zu rufen.
Aber das muss warten bis wir wieder daheim sind.
Jetzt wartet High Chapel auf uns und ich hoffe es wird eine ruhige Reise und eine erfolgreiche Jagd ohne irgendwelche Zwischenfälle... warum sollte Yarids Gut nicht ein Ort sein, an dem die Schrecken ebenso verschwinden können, wie hier auf GreenScarp?
(Fionn streut Sand über die letzte Seite, wartet einen Moment, schüttelt ihn dann hinunter, verschließt das Tagebuch mit einem Siegel und steckt es dann zu seinem Gepäck)
Beginn des Plots:
Es fällt mir schwer nichts an meinem Bericht an mich selbst zu überstürzen, denn die Ereignisse haben sich natürlich doch überschlagen. Aber diese Seiten sind nicht nur dafür da mich auszuheulen. Vor allem sollen sie meine Gedanken klären und mir helfen in dem Wust eigener Gefühle nicht zu versinken... deshalb sitze ich jetzt hier, die Angst zwar im Nacken, aber vielleicht hilft es mir, die Gedanken soweit zu klären das ich einen Weg finden werde, der uns aus diesem Chaos herausführt. Außerdem verkürzt es mir die schlaflose Nacht, während ich an Corrans und Alicianes Tür wache.
Nun gut, was also hat mich genau hier hergebracht?
Die Nacht war schon eingebrochen, als wir High Chapel erreichten. Aus der Ferne wirkte es unverändert aber diesmal wollten wir wirklich hierher und wurden nicht von einem Zauber hergelockt. Ausserdem war das Haus hell erleuchtet und wir hörten Stimmen, als wir die Pferde dem Stallmeister übergaben und vom Coridom freundlichst empfangen wurden.
Kein gespenstisch wirkendes Spalier aus Hausangestellten, kein nervöser und fiebrig aussehender Hausherr... zwei Punkte, die mir das Herz gleich etwas leichter machten. Der Coridom führte uns in unsere Kammer, Corran entließ ihn freundlich. Wir waren hier keine Fremden und der Weg in den Saal war uns geläufig. Das Kuriositätenkabinett, das uns bei unserem ersten Besuch hier direkt ins Auge gestochen hatte, gab es nicht mehr. Yarid schien aufgeräumt zu haben. Auch das beruhigte mich.
Wir legten die Schwerter und Mäntel ab, von nun an galt es Etikette zu waren und sich an den Gastfrieden zu halten. Corran brummte nur etwas von „Andere Länder, andere Sitten“, beschwerte sich aber nicht weiter. Arielle wird stolz sein, wenn sie davon erfährt...
Mich zumindest erleichterte es, nicht mit der Waffe am Leib zwischen den Damen wandeln zu müssen. Wer wie ich, nicht von Kinderbeinen an, daran gewöhnt ist, wird es vermutlich nie schaffen, sich mit dem Schwert an der Seite zu bewegen, als wäre es ein weiterer Körperteil und ich weiß, bei so mancher Gelegenheit habe ich mit der Waffe unnötig Menschen den Weg verstellt oder Damen die Röcke zerdrückt. Ohne bewegte es sich leichter... und weniger auffällig.
Noch einmal kurz durchgeschnauft und dann begaben wir vier uns in den Saal. Aliciane an der Seite Corrans, ich vorne weg, Rhodri in ihrem Schatten. Wir waren sicherlich alle neugierig, wer dort im Saal bereits wartete... wobei ich vor allem endlich einen Blick auf Yarid erhaschen wollte.
Kurz vor dem Saal fiel es Corran dann plötzlich und für mich sehr verwirrend ein, sich zu beschweren.
Er wäre lieber daheim geblieben, so vermeldete er plötzlich.
Worauf ich etwas erbost erwiderte, dass es jetzt für solche Zweifel zu spät wäre, er habe die Wahl gehabt. Er habe sich entschieden und könne jetzt nicht mehr zurück.
Etwas das ich jetzt bereue, aber zu diesem Zeitpunkt kam es mir nicht in den Sinn Corrans Worten mehr Gehalt beizumessen. Er reagierte trotzig, wann immer er sich nicht wohl in seiner Haut fühlt. Und da er Diplomatie verabscheut, rechnete ich mit genau solchen Worten. Er wollte sich drücken, so dachte ich.
Also weiter in den Saal hinein und ein erster Blick über die Anwesenden, auf der Suche nach Yarid, der gerade einige Gäste begrüßte, die mir aber nicht bekannt waren.
Wie immer lässt sich Corran schlecht übersehen und kaum hatte Yarid ihn bemerkt stürzte er auch schon auf uns zu...
Er begrüßte uns freundlich, der Etikette entsprechend und stolperte nur kurz, ob unseres Gastgeschenkes, welches er sich wohl am liebsten sogleich angesehen hätte. Seit seiner Zeit als Barde auf GreenScarp, hatte er sehnsüchtige Blicke auf die Tiere geworfen. Ich sagte ihm, das für einen Besuch ihm Stall auch morgen noch Zeit seie... Er nickte, und wies uns einen Tisch an prominenter Stelle zu. Eine Magd, wie ich anfänglich annahm, reichte uns einen Begrüßungstrunk, und wir wollten uns setzen. Ich fühlte mich besser, jetzt, wo ich Yarid bei guter Gesundheit fand... doch kam ich selbst gar nicht dazu, dieses Gefühl zu genießen, weil ich sogleich von einer jungen Frau, aufgehalten wurde.
Es handelte sich um Àine, welche ich schon bei unserem ersten Besuch auf High Chapel kennen lernen durfte. Damals litt sie an etwas was man in den Türmen eine Multiple Persönlichkeitsstörung nennt. Ihr Geist hatte sich aufgrund eines sehr traumatischen Ereignisses in mehrere Personen geteilt, die jede für sich, versuchten das Leben zu meistern.
Heute war sie nicht mehr verrückt, wie man es wohl langläufig bezeichnen würde. Wir hatten ihr geholfen sich und ihren Geist wieder zusammen zu schließen. Jetzt weilte sie eigentlich in Hali wo ihr Laran ausgebildet wurde und trug ihren Familiennamen Alton.
Sie zeigte sich besorgt, weil sie Janis Altons Tochter war und nun scheinbar doch Yarid das Haus erben sollte...
Sie wollte es für sich haben und bat mich ihren Anspruch zu unterstützen.
Das versetzte mich in eine Zwickmühle. Àines Ansprüche waren als Nedestra genauso stark wie die von Yarid. Mein Bezug auf Yarid aber stärker als der zu Àine...
Vorerst entsprach ich ihrer anderen Bitte und informierte ihre Gefährtinnen aus dem Turm von Hali über die Geschehnisse von damals auf High Chapel. Melissandra Acosta und Julianna Ardais lauschten, stellten hier und da weitere Fragen und bekundeten ihre Entschlossenheit einen Weg zu finden Kiristella Hastur, die sich damals für alle übrigen geopfert hatte und bei den finsteren Präsenzen in der Oberwelt geblieben war, zurück zuholen.
Ich bewundere ihren Mut, ich selbst würde so einen Versuch nicht mehr wagen. Zweimal war ich bereits daran beteiligt, zweimal endete es fast mit dem Tod. Kiristellas Tapferkeit ist unbestritten und ich verdanke ihr die Hälfte meiner Seele... aber ich kann und darf mich nicht mehr daran beteiligen. Zuviel steht auf dem Spiel, weit mehr als nur mein Leben. Vielleicht war ein Turm wie Hali in der Lage dieses Problem zu lösen.
Was Àines Ansprüche auf High Chapel anging, so ermutigte ich sie sich an ihre Familie zu wenden... denn diese Angelegenheit war nichts was in Asturiens Hand lag... und schon gar nicht in denen von Fionn dem Nedestro... dem Sohn eines Verräters... der selbst ohne Land war und auch keinen Anspruch darauf erhob.
So verabschiedete ich mich erst einmal von den Damen und ließ mich nun doch endlich am Tisch neben Corran, Aliciane und Rhodri nieder... und endlich, meine Kehle war furchtbar trocken, bekam ich auch etwas zu trinken.
Schneller als ich gedacht hatte, erhärtete sich der Verdacht, das es hier in den nächsten Tagen um Yarids Stand und dieses Gut gehen würde und ich war entschlossen, Yarid wo es ging, dabei zu unterstützen. Nach allem was ich bislang zu sehen bekommen hatte machte er seine Sache nicht schlecht... das Gut machte einen besseren Eindruck als bei unserem letzten Besuch, ebenso wie der Barde selbst.
Es ist noch immer finster draußen, und der Bericht wird lang und auswalzend. Aber ich suche immer noch nach den Details und versuche deswegen auch nichts an das ich mich noch erinnere zu vergessen. Allerdings ist es unglaublich schwierig sich jeden Moment zu vergegenwärtigen... auch wenn er gerade erst vorüber ist. So viele Menschen sind für jeden Telepathen eine Zumutung...
Bei solchen Gesellschaften habe ich immer ein wenig das Gefühl zwischen den Stühlen zu sitzen. Während ich selbst unendlich bemüht bin mich nicht in den Stricken der Etikette zu verheddern und
über die unzähligen ungeschriebenen Konventionen zwischen denen sich die Comyn bewegen zu stolpern hat jeder mein Mitgefühl dem es geschieht, weil er sich einfach am falschen Ort befindet.
Rhodri zum Beispiel rang mit sich selbst an diesem Abend wohl am meisten. Was immer er tat, es wirkte verkrampft und angespannt. Seine Furcht vor einem falschen Tritt war spürbar und hier und da vertrat er sich... oder erschreckte die anwesenden Damen, weil er ein Bier in alter Soldatenmanier eigenhändig und laut öffnete.
Aliciane hingegen führt auf GreenScarp ein burschikoses, sehr einfaches Leben, aber das wackelnde Parkett der Diplomatie ist ihr von Kindesbeinen an vertraut und um ehrlich zu sein, oft blüht sie auf, wenn sie solchen Herausforderungen entgegensieht. Sie hielt sich gut, und ich bemerkte keinen Hauch von Misstrauen in ihr... obwohl sie sicherlich mit ihren Gefühlen gegenüber den anwesenden Alton rang.
Wir alle, sahen uns plötzlich einer weiteren solchen Herausforderung gegenüber als unverkennbar ein Hastur von Hastur samt seiner Gemahlin den Raum betrat. Das war überraschend hoher Besuch für die einfache Tafel eines einfachen kleinen Familiengutes...
Und Hastur war ein Problem.
Hastur ist für Asturias immer ein Problem gewesen und wird immer eines sein...
Zum ersten Mal schlug mein Herz vor Furcht etwas höher.
Keine Ehrfurcht, nein, da werde ich niemanden täuschen. Hastur hat keine Ehrfurcht verdient... aber es gab da diese spröden Bande die unser Haus mit dem ihren verbanden. Bande die Asturias aus politischen Gründen akzeptieren musste, aber verabscheute. Denn Hastur war für meine Familie immer dadurch bekannt, das wenn sie den kleinen Finger bekommt nicht nachläßt, bis sie auch die ganze Hand bekam. Zur Zeit war GreenScarp für den Herrn von Carcosa der Finger... die ganze Hand war das Königreich und dieses sträubt sich schon seit Jahrhunderten gegen eine Übernahme durch den übermächtigen Rivalen.
Herr des Lichts, selbst auf dem Papier gehen die Nerven mit mir durch... ich muss mich zusammennehmen und konzentrieren. Doch das fällt so schwer, vor-allem, da sich bestätigte was mich sogleich durch eine Ähnlichkeit in den Gesichtszügen beschlich. Wenn es auch ein Hastur von Hastur und nicht von Carcosa war, so hatte er doch ebenso wie der alte Jerome einen Speichellecker aus Castamir an seiner Seite.
Doch zunächst waren die Hasturs noch von Yarids Begrüßung in Beschlag genommen und ich arrangierte mich mit der Situation. Einst, kurz bevor ich nach GreenScarp gegegangen war um sein Soldat zu werden, hatte sich Corran in seiner Not an König Valdrin Hastur von Hastur gewandt und dieser hatte ihn mit Soldaten ausgeholfen... Ich hoffte nicht, dass diese kurze und sehr problematische Episode heute noch einmal Erwähnung finden würde...
Bei ihrem Eintreten hatten wir uns von den Füßen erhoben... Aliciane blieb, wie es sich gehörte sitzen... und Hastur ließ sich Zeit bis wir uns wieder setzen durften.
Solche Sitten sind mir aus Asturias vertraut, aber Caleb würde uns nie unnötig lang stehen lassen.... und nie erwarten das auch die Frauen sich erhoben. Schließlich nahmen auch die Gäste aus Thendara endlich Platz und unterbrochene Gespräche wurden wieder aufgenommen.
Unsere Reisegruppe blieb abwartend und ruhig sitzen...
Gelegenheit sich den übrigen Anwesenden auch mal soweit zu widmen. Ob der Bedrohung, der wir uns später entgegensahen, kann jedes Detail entscheidend werden. Und sollte dieser Besuch auf High Chapel unglücklicher enden als der erste vor zwei Jahren, so bleibt dieses Buch als Zeuge zurück...
Neben dem Hasturs, die ich persönlich nicht kannte, auch wenn seine Stiefel Oktavien deutlich als einen Bruder Valdrins zu erkennen gaben, saß eine größere Gemeinschaft der Familie Alton, unter ihnen eine Frau, die ich kurz kennengelernt hatte.
Elaine Alton-Ardais, von der ich viel gehört hatte, noch bevor wir uns begegneten. Sie ist, was man in Thendara eine feste Größe nennt... und manchen Erzähler habe ich schon von ihrer Hochzeit berichten hören. Als sie, noch während des Krieges zwischen Alton und Ardais, einem der Falken die Hand gab...
Von ihrem Mann, Coryn Ardais, ehedem Regent für Lord Giley Ardais, habe ich persönlich keine so hohe Meinung, nicht mehr, nach dem Tage auf dem Markt in Lanister, als Yarid wegen einer von ihm geschmiedeten Intrige aus Asturien verbannt wurde.
König Caleb bezeichnet dies zwar mitlerweile als seinen einzigen Fehlgriff, aber in finsteren Momenten, wenn mir Rakhaila wiedermal Steine in den Weg legt oder mich die Furcht beschleicht eines Tages als Regent über Aldaran herrschen zu müssen.... dann denke ich mir, wäre ihr Mann ein wenig klüger gewesen, würde es all diese Probleme gar nicht geben.
Zum Glück war er nicht anwesend, sondern nur seine Frau, der ich an all dem keine Schuld geben kann... selbst wenn sie damals, als der Frieden auch zwischen Aldaran und Hastur mit den Catenas aushalf, die mich heute an Rakhaila fesseln. Sie tat es aus ähnlich guten Gründen, aus denen ich Rakhaila die Hand gab...
Domna Elaine war es auch, die an unseren Tisch trat und die Bekanntschaft erneuerte...
(oder aber es war etwas später, aber sie war auf jedenfall da). Ich versuchte sie nicht zu beunruhigen und mir doch genug von ihrem neuartigen und sehr modernen Gewand einzuprägen um mir später bei Arielle ein paar nette Worte dafür abzuholen. Loret werde ich davon aber nichts erzählen...
Yarid hatte ein langes Gespräch mit einem der Herren Alton hinter sich, als er abermals zu uns trat. Einen Moment lang unterhielten wir uns nur, dann berichtete er uns von Amelie...
… dem einstigen Küchenmädchen GreenScarps, der Nemesis Anildas, die, so wie es aus Yarids Mund klang nun die Nemesis Rhodris zu werden hoffte.
Amelie hatte kurz nach ihrer Ankunft auf High Chapel ein Kind geboren und behaupte nun, dass Rhodri der Vater war. Ich konnte es nicht glauben und entnahm blankes Entsetzen aus Rhodris Blick, als dieses Gerücht nun an unsere Ohren drang. Er bestritt sofort und mit einiger Kraft... und um seines Lebens willen hoffte ich auch, dass sich dieser Verdacht nicht bestätigte.
Corran würde ihn sonst doch noch umbringen, etwas das wir dereinst unter viel Kraftaufwand verhindert hatten.
Jeder von uns wusste, dass er vor der Ehe mit Fianna kein Kind von Traurigkeit gewesen war, aber seit der ungehörigen und aus der Not heraus geborenen Hochzeit mit Corrans Schwester hatte er sich meines Wissens nach nirgendwo mehr die Finger verbrannt.
Früher wäre Corran ihm schon wegen weit weniger an den Hals gegangen, aber wie ich nun sehen konnte, hatte sich dies über die Jahre hinweg deutlich verändert. Corran erhob sich sofort um Amelie zu befragen... kein böses Wort gegen Rhodri drang aus seinem Mund.
Ich hatte allerdings meine Zweifel ob Amelie ihm die Wahrheit sagen würde, und nicht nur kuschte, weil ein wütender Corran so furchtbar einschüchternd war. Derweil beschlossen Aliciane und Rhodri ebenfalls noch einmal nachzuhorchen...
Doch da kam Corran schon zurück und ließ verlauten die jetzige Köchin würde nichts dergleichen behaupten.
Um nicht zu viele Ohren an unseren neuen Sorgen teilhaben zu lassen, vertagten wir das Thema.
Auch wenn ich mir selbst vornahm, bei der nächsten Gelegenheit noch einmal nachzuhaken. Mochte sein und Rhodri war unschuldig, aber das galt sicherlich nicht für die übrigen Soldaten GreenScarps.... und ich habe es ganz gerne, wenn sich ein Vater um seine Brut auch kümmert, und sei es nur, in dem ein Teil seines Soldes in die Hand der Mutter kam.
Was danach folgte war und ist, auch wenn es weit schlimmer kommen sollte, immer noch eine nicht zu verachtende Folter meiner Nerven gewesen.
Der Hastur, leider gleich an unserem Nachbartisch untergekommen, langweilte sich wohl und mokierte sich mehrmals recht laut darüber noch nicht vorgestellt worden zu sein. Yarid holte dies natürlich sofort nach, auch wenn ich nicht wirklich daran glaubte, das der Hastur dieser Unterstützung bedürfte. Es waren einige Familien da, und auch wenn ich einige Gesichter vermisste, so war es doch ein leichtes die Familien zuzuordnen.
Alton, Hastur, Storn Seitenzweige, wie ich annehmen muss, da weder Gavin noch Edric anwesend waren von ihnen kannte ich bisher nur Leandra, die damals ebenso wir wir schon einmal auf High Chapel gewesen war. Ardais wurde vertreten durch Domna Elaine und die junge Julianna aus Hali... dazu ein Mann aus Ridenow, zumindest trug er die Farben der Familie aus Serrais, Melissandra Acosta.
Um sich halbwegs zurecht zu finden braucht es keine Vorstellungsrunde, aber der Hastur bekam was Hastur verlangte... nur um sich, kaum war dies beendet, von seinem Tisch zu erheben.
Bekanntschaften auffrischen...
Warum er sich allerdings gerade uns aussuchte und Corrans Geduld auf die Probe stellte weiß ich nicht genau. Vielleicht war er ja hier, um für Ärger zu sorgen, aus dem sein Bruder, der unbedingt königlicher als andere Könige sein wollte, nutzen schlagen konnte.
Oktavien und Irmelin nahmen Platz und eröffneten das Wortduell... dem ich nicht weniger Hilflos ausgeliefert war als Corran. Ein dicker Kloß saß mir ihm Hals...
Es brauchte nicht lang und ich wusste, er wollte uns provozieren. Wie gut, daß ich gleich an Corrans Seite einen Platz gefunden hatte.
Alles begann damit, dass Oktavien verlauten ließ, nicht oft ins Hinterland zu geraten
Hinterland...
Ich kann mir dieses Wort nur immer wieder und wieder auf der Zunge zergehen lassen. Sicherlich, High Chapel ist ein kleines Gut, kleiner noch als GreenScarp, aber es liegt auf Altongrund und eine Domäne ist kein Hinterland... nur nicht unbedingt so aufgeblasen und großkotzig wie Thendara.
Was mir aus diplomatischer Tuerei nicht gestattet war während des Gesprächs, und ich bin nicht so geübt, wie Aliciane... hier kann ich dem freien Lauf lassen.
Über die Lippen dieses Mannes kam nicht ein normales Wort, jeder Satz war gespickt mit Arroganz, jedes Wort nur darauf aus, sein Gegenüber auf ein Nadelkissen zu setzen... dieser Mann lachte so gekünstelt, wie ich es zuvor nur von einem Laffen aus Thendara gehört hatte. Er war durch und durch ein Intrigant...
Und noch während er sich meine Nackenhaare aufstellten ging GreenScarp gemeinsam auf Verteidigungskurs. Allen voran Aliciane, die sich Spitzen aufgrund ihrer Herkunft sicherlich nicht bieten ließ und auch nicht einfach still und brav dabei zusah, wie Corran vorgeführt wurde.
Wiedereinmal zeigten sich die Qualitäten Alicianes, die mit ähnlich spitzer Zunge zurückschoß... und während sich diese Spiel ermüdend lange fortsetzte, niemals klein beigab. Sie schämte sich nicht, sie geriet nicht in Verlegenheit, sie stand stolz zudem was sie war....
Nichts blieb unerwähnt. Nicht fragen nach ihrem Bruder, des Lords von Aldaran, nicht nach meiner Gemahlin und ein einziges Mal schaffte ich es selbst zurück zuschießen. Es war Domna Irmelin, die auf die Oper in Thendara zu sprechen kam...
Ha, erwischt...
Bei solcher Art von Konversation verdampft mit der Zeit mein Gehirn... zu sehr muss ich an meinen Barrieren klammern um mir nicht die Abscheu anmerken zu lassen...
Aber die Oper ist ein Lieblingskind von Corran und niemanden in den Domänen und Königreichen kann es entgangen sein, das der berühmteste Librettoschreiber der Oper ein Harryl ist... ein Mann, dessen Familie die treuesten Vassallen Asturiens sind...
Also schlug ich mit dem Namen Robay Harryls, dem Dichter, zurück...
Kurz darauf aber erlöste ich Rhodri, der am ehesten in Gefahr schien die Contenance zu verlieren. Gemeinsam gingen wir um Getränke zu holen, Bier um genau zu sein, ja, Domna Hastur, Bier... keinen Wein, selbst für Aliciane nicht!
Derweil Aliciane und Irmelin Hastur sich den anderen Damen anzuschließen gedachten.
Wir zögerten diese Pause ein wenig hinaus und schafften uns ein wenig Luft... mit deftigen Worten... aber Rhodri brauchte diese Pause so sehr wie ich. Besser er ließ es hier heraus, als vor den Ohren unserer Feinde.
Zudem war es mir ein Anliegen ihn vor der Falschheit der Person Oktavien zu warnen. Rhodri wusste genau, der Tanz auf heißen Kohlen hatte begonnen und nun war auch er gewarnt. Für den Rest der Zeit war es wichtig den Hastur im Auge zu behalten.
Uns schien es beiden so, als führe er etwas im Schilde... zumindest mehr als einen Tannenbaum.
Wir genossen es noch einen Moment länger die frische Luft, derweil schien auch die junge Damisela, die an Domna Elaines Seite gehörte für einen Moment frische Luft schnappen zu müssen.
Kurz darauf entglitten ihr ein paar Worte die mir die Röte in den Nacken trieben. Sie tat es unabsichtlich, wie ich annehmen muss, denn ihr Bruder näherte sich gerade.
Sie fand mich entzückend... mich, den ombredin, dem es nicht gelang seine Frau zufrieden zu stellen...
Es musste an den Kleidern liegen, die neu waren und mit der letzten Botschaft aus Asturias eingetroffen waren. Mama hatte Stoffe gewählt, die mir gefielen, auch wenn der Schnitt natürlich, wie immer, nicht unbedingt der praktischste war. In einem Anfall von: Ich muss für Asturias und Aldaran etwas hermachen, wenn ich Probleme vermeiden will - hatte ich sie gewählt... und ich wusste um die Konsequenzen. Warum aber mussten sie immer so jung und unschuldig sein?
Colin Storn aber blieb angenehm entspannt. Trotz seiner jungen Jahre überging er jede Art von Peinlichkeit machte mich mit seiner Schwester bekannt und ließ mir so die Gelegenheit mein Catenas-Band zu zeigen und der jungen Dame nicht all zu viel Hoffnungen zu machen.
Ich hoffe meine Wangen waren nicht mehr knallrot, als ich mich nach dem Verbleib von Edric und Gavin erkundigte... doch die Storns von Kigh Kinally konnten nicht viel von ihnen berichten.
Als ich mich kurz darauf von ihnen trennte und wieder zurückkehrte, nahm ich mir vor Dom Colin, sollte sich die Gelegenheit bieten für sein bedachtes Handeln und die Vermeidung eines peinlichen Aufruhrs zu belohnen. Dieser Augenblick sollte schneller kommen, als ich es dachte.
Als wir zurückkehrten war einstweilen von Hastur keine Spur mehr an unserem Tisch zu finden. Sehr erleichtert nahem wir wieder Platz, nachdem Rhodri es sich nicht nehmen ließ und die zusätzlichen Stühle, die wir für den Hastur hergeschafft hatten, wieder an ihren ursprünglichen Platz zu räumen, und gönnten uns ein paar Schlucke Bier... und Corran begann leise wieder zu nörgeln er hätte zu Hause bleiben sollen.
Diesmal seufzte ich nur. Er hatte ja recht. Er war talentiert mit dem Schwert, zu Pferde, er war ein begabter Jäger, aber alles andere was mit einer Jagdgesellschaft unter Comyn zusammenhing war nicht seine Materie... das Duell mit Hastur hatte ihn mehr Kraft gekostet als der Tagesritt hierher.
Um ihm ein wenig seines Stolzes zurück zu geben, nickte ich zu Aliciane und den übrigen Damen hinüber... und wie gewollt zauberte der Anblick seiner Frau ein Lächeln zurück auf Corrans Gesicht. Dieses wurde zu einem grinsen, als er den jungen Storn zwischen den Damen sah.
Die Damen waren sehr damit beschäftigt, dem armen Knaben die schrecklichsten Geschichten über Thendara zu erzählen...
Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob die Frauen überhaupt wissen, wie sehr es einen Mann erschreckt, von blauen Strümpfen, regenbogenfarbenen Haaren und Rüschen an jedem Zipfel der Kleidung zu hören.
Corran lachte wissend und ich schlug vor den jungen Mann zu erlösen in dem ich ihn an unseren Tisch bat. Corran stimmte zu... entschlossen sich auch ein wenig Vergnügen zu gönnen.
Dom Colin trat zu uns, von ehrlicher Dankbarkeit erfüllt...
Leider konnten wir nur bestätigen, dass die Worte der Damen nicht gelogen waren. Aber unseren Mienen dabei ließen ihn ruhiger werden und kurz darauf waren wir in ein nettes und kurzweiliges Gespräch vertieft... und genossen das Bier.
Yarid kam abermals an unseren Tisch, vergewisserte sich, das es uns gut ging und ich erkundigte mich nach der Lage seiner Angelegenheiten... das Gespräch mit Ramon Alton, dem Bruder des Lord Alton. Er lächelte zufrieden und berichtete, er müsse noch beweisen, dass er es verdiene und vermutlich eine Alton zur Frau nehmen, aber die Dinge ständen nicht schlecht.
Derweil sah ich Àine mit eben jenem Dom Ramon unterhielt.
Irgendwann in dieser Zeit hatte Corran sich wieder entspannt und Aliciane war an unseren Tisch zurückgekehrt. Er nickte mir zu und murmelte, dass es doch nicht so verkehrt war, der Einladung gefolgt zu sein... Trotz Hasturs, trotz Altons, die bislang angenehm unauffällig geblieben waren.
Trotz des Gerüchtes über Rhodris Seitensprung...
Am liebsten hätte ich ihn in den Arm genommen dafür... aber das ging hier und jetzt nicht. Das musste warten, bis wir einen ruhigeren und intimeren Moment hatten. Ich nahm mir fest vor die nächste Gelegenheit zu nutzen, die sich ergeben mochte.
Manchmal war ich mir so unsicher, ob ich mich auf ihn verlassen konnte... und ob dieser Unsicherheit lasse ich mich nicht minder oft dazu hinreißen zu wünschen er wäre ein anderer Mann... aber tief in mir weiß ich, dass ich nur diesen Mann, genau so wie er ist, lieben kann.
All diese Gedanken und das Glück, dass ich in diesem Moment empfand machten mich unruhig. Ich hatte schon einiges an Bier getrunken und sollte eine Weile eine Pause machen um nicht aus der Facon zu fallen. Ich entschuldigte mich deswegen, um mir einen Tee zu holen.
Niemand warf es mir vor.
Zumal ich in der Küche Amelie noch einmal in Augenschein nehmen wollte... vielleicht würde sie mir ja verraten, wer der wahre Vater des Kindes war. Zu ihrem Schaden sollte es sicherlich nicht sein.
Jetzt und hier verfluche ich diesen Moment. Meine Geilheit, meine Verlegenheit und meine Schwäche die mich von Corran forttrieben anstatt an seiner Seite zu sein... an jenem Platz für den meine Mutter und der verhasste Vater mich geboren hatten. Wäre ich nur dort geblieben...
Ich kann nicht mehr weiter schreiben. Meine Finger sind eiskalt... und nicht nur, weil auch die Nächte in den Kilghards eiskalt sind... alles was jetzt kommt ist völlig irreal... und doch, es ist geschehen. Geschehen und wieder nicht geschehen. Es macht mir furchtbare Angst.
(Kein Mond scheint mehr am Himmel und erhält die Nacht auf dem Hof von High Chapel. Nur die kleine Kerze, mit deren Licht Fionn die Seiten seines Buchs füllt, wirft flackernde Schatten in den Raum. Er erhebt sich, reibt sich die Hände an seinem Wams ein klein wenig warm und öffnet die Tür zu der ihnen zugewiesenen Kammer einen Spalt. Drinnen hört er Menschen atmen, aber er kann sie eigentlich nicht sehen. Tief schwarz ist der Raum... doch Fionn kann sie fühlen. Er schließt die Tür wieder vergewissert sich, dass alles in Ordnung ist... und setzt sich wieder an den Tisch... Sein Schwert steht blank gezogen neben ihm, die Matrix hat er auf ihrer Hülle aus Seide gelegt... dazwischen ruht das kleine Büchlein. Er harrt aus, Schlaf könnte er eh nicht finden... er macht sich Sorgen und er muss weiter nachdenken... An genau dem Ort, wo das schlimmste geschehen ist, was Fionn sich vorstellen kann.)
Punkt für Punkt, Strich für Strich. Ich werde versuchen mich an alles zu erinnern und nichts auszulassen. So schwer es fällt... es mag wichtig sein. Zu einem großen Teil haben sich meine Gedanken bereits beruhigt und vor mir selbst muss ich kein Blatt vor den Mund nehmen.
Amelie, süß und höflich wie immer, bezeugte mir nie behauptet zu haben das Kind sei von Rhodri. Beruhigt, weil ich dadurch gleichzeitig sofort erfuhr das sie nicht log, wartete ich, bis sie mir meinen Tee gab. Derweil erwähnte ich auch die übrigen Männer GreenScarps, und das ich schon dafür sorgen würde, dass der Betreffende seine Pflicht nachkam... Wieder lächelte Amelie nur und meinte, ich solle mir keine Sorgen machen.
Den heißen Tee zwischen den Fingern, ließ ich sie in Ruhe und trat alleine an die frische Luft. Menschenmengen sind etwas, dem ich gerne von Zeit zu Zeit auswich. Außerdem brauche ich den freien Himmel über mir. In Mauern habe ich immer das Gefühl eingesperrt zu sein. Die Hügel Altons sind denen von Asturien nicht unähnlich... ich dachte an daheim. Daran wie Stella, Laertes, Liam, Bard und Yllana jetzt friedlich in ihren Betten schliefen. Ich dachte an Fianna und Rakhaila... an Erald und die Jungs.
An alles nur an Corran dachte ich nicht.
Ich wollte meine Nerven beruhigen.
Obwohl ich glaubte mir ein stilles Fleckchen auf dem weitläufigen Hof gefunden zu haben, kam kurz darauf Julianna Ardais auf mich zu. Sie war nicht aufdringlich, wir saßen still einen Moment nebeneinander und sagten nicht viel.
Ich musste daran denken, dass sie eine Leronis von Hali war. Vermutlich war mir deswegen nicht unwohl... sie hatte ihre Barrieren im Griff und suchte wohl ebenso einen Moment Ruhe vor den vielen Menschen.
So sehr mich zuvor Sorgen umgetrieben hatten, ich war bereit sie zu vergessen... bereit mich auf den morgigen Tag zu freuen.
Corran hatte sich an den Ort seines tiefsten Schreckens gewöhnt, er grollte nicht länger.
Yarid schien es besser zu gehen als ich vermutet hatte und auch an seinem Stand hier im Lande der Altons schien niemand ernsthaft zu sägen...
Rhodri war nicht der Vater eines Kindes... oder doch, aber eben nur von Bard und Yllana, die beide Fianna für ihn geboren hatte...
Es war kein Aldaran hier der mich in eine Zwickmühle brachte und unter denen von Alton waren viele, aber nicht der Vater Lorenzos, Alicianes erstem Mann... und auch nicht Finley, der alte Schwerenöter.
Ich war ruhiger und zufrieden... bereit mich abermals in den Saal zu begeben und mich den Comyn zu stellen. Nur noch einen Moment, noch ein paar Züge frische Luft...
Jäher Schmerz zerriss mir den Magen, nur Augenblicke später. Ich verlor den Halt...
Wie gut das ich mich auf eine Bank gesetzt hatte... ich fiel nicht, ich kippte nur ächzend nach vorn.
Ich fühlte das Band nicht mehr. Jenes Band, das mich an das Herzstück meines Lebens band.
Es war fort, zerrissen... ein einziger Augenblick und es war fort.
Ich taumelte auf die Füße unfähig noch links und rechts etwas zu sehen, tat ein paar wackelige Schritte...
Corran war fort.
Corran... Corran... Corran...
Tränen traten mir in die Augen. Ich hörte Aliciane brüllen, ich hörte Rhodri einen Namen rufen. Riefen sie nach mir?
Oder riefen sie nach Corran?
Ich weiß es einfach nicht. War nicht beides das gleiche... war es nicht, bis vor wenigen Augenblicken noch beides das Gleiche gewesen.
Das nächste was ich sah waren Alicianes und Rhodris Gestalten, die aus der Dunkelheit auf mich zukamen. Ich sah sie, wie die flimmernden Lichter in der Oberwelt... nicht wie sie selbst.
Ich sah sie an, ich weiß nicht mehr ob irgendein Laut über meine Lippen kam. An was ich mich noch erinnere, das waren meine Beine. Sie nahmen steif ihren Dienst auf, aber ich musste jeden Schritt befehlen... erst langsam, dann... immer schneller, bis sie schließlich rannten und wie von selbst die Stelle fanden...
Die Stelle...
Es ist der Ort wo ich jetzt sitze und schreibe. Es ist genau dieser Raum, direkt vor unserer Kammer, an deren Tür unser Wappen hing und auch jetzt noch hängt. Nicht mein Wappen, nein, Corrans. GreenScarps... und genau darunter... genau da...
(Fionn unterbricht den Schreibfluss für einen Moment. Die Worte sind kaum lesbar. Er ist viel zu erregt... aber er beißt sich auf die Lippen und setzt wieder mit dem Schreiben an... Würde er jetzt aufhören, würde er vielleicht nie die Worte finden... und was er nicht in die Welt hinausschreien kann... er muss es wenigstens auf Papier bannen.)
Corrans Körper lag ausgestreckt auf dem Parkett. Regungslos... und ich wusste bereits in diesem Moment, das alles vorbei war.
Ich kniete mich dennoch neben ihn, fühlte nach seinem Puls... zog die Matrix...
Kein Lebenszeichen.
Mein Mann, der vor vielleicht einer viertel Stunde noch gelacht und mit mir geflachst hatte, den ich so heiß und innig dafür hatte küssen wollen, er war tot.
Kein Puls, kein Herzschlag, kein Atemzug mehr.
Nur sein Leib... nach dem die Kälte schon griff.
Ich versuchte sein Leben zurückzuholen, aber irgendetwas in mir sagte, dass es bereits zu spät war...
Mein eigenes Herz, mein eigener Puls... sie waren noch da, ich war selbst nicht gestorben. Doch der sonst so vertraute Takt fehlte. Es war einfach nicht mehr da.
Blind vor Schmerz hockte ich neben ihm...
Hätte ich ihn doch nur geküsst. Dieses eine letzte Mal nur. Was interessierten mich die anderen Leute. Was waren sie schon wert... gegen das, was jetzt, tot und kalt vor mir lag?
Blut noch rot und feucht, als wäre es lebendig, troff aus Corrans Mundwinkel... und wie zum Hohn für sein Leben lag seine Matrix, kalt und tot in seiner linken Hand. Ich hielt sie einen Moment in meiner Hand... aus meinen Fingern hatte er sie erhalten. Ich erinnerte mich gut daran, wie ich sie ihm aufgeschwatzt hatte... ich war sein Bewahrer, sein Verwandter, sein Freund, sein Liebster.
Ein ums andere Mal hatte der eine dem anderen das Leben gerettet, es erhalten und an sich gepresst, es geschützt und geliebt... Doch vor diesem Moment konnte ich ihn nicht bewahren... so wenig wie er mich.
Ich musste mich zwingen zu atmen, so wie vorher meine Beine zum Gehen zwingen musste. In mir war es kalt und tot... wie Stein.
Ich hob den Kopf ein wenig. Ich hörte Rhodri mit schmerzverzerrter Stimme fragen ob er etwas tun könne... ich glaube dann ging er, schnell... um Yarid zu holen.
Ich wollte den Barden jetzt gar nicht sehen.
Aliciane weinte, nein, sie weinte nicht nur, sie heulte... sie schrie ihren Schmerz hinaus, an der anderen Seite neben Corran zusammen gekauert...
Selbst vollkommen haltlos, griff ich nach ihr, drückte sie an mich. Ich selbst konnte nicht weinen... keine Ahnung warum. Doch Alicianes Leid purzelte über mich herein und wurde zu einer Last, die ich nicht tragen konnte...
Yarid stolperte herein, aufgebracht, erschrocken... Rhodri hinter sich, dessen Leid in sein Gesicht gezeichnet war. Warum konnte ich sie alle fühlen, mit jeder Faser meines Ichs... nur mich selbst nicht. Wo blieben meine Tränen?
Ich bat Yarid mit trockener Stimme eine der Damen zu holen und sich um Aliciane zu kümmern. Ich bat um sonst nicht, suchte mir einen Platz unweit von Corrans Leib und starrte ihn an...
Konnte es das wirklich gewesen sein? Das? Als einziges?
Lady Elaine kam zu uns, ebenso wie Dom Ramon, gerade, als wir uns irgendwie aufgerappelt hatten und Corrans toten, geistlosen Leib auf sein Bett legten. Ramon fragte, ob ich es auch gespürt hatte, einen Akt grenzenloser Gewalt?
Ich zuckte mit den Schultern. Ich wusste es nicht... oder doch?
Für einen Moment schien ich mich zu erinnern. Ehe mich der Schmerz zerriss hatte ich Corran gespürt. Ein Bild. Corran wie er alleine da stand, die Matrix in der Hand, die Zähne auf die Lippen gebissen. Dann war das Bild mit einem einzigen Schlag erloschen...
Corran war tot.
Ich musste der Realität ins Auge blicken.
Seltsamerweise war es gar nicht so schwer...
Ich nickte Dom Ramon zu, ja, ich hatte das selbe gespürt, aber auch nicht mehr. Ich wusste nicht, was den Tod gebracht hatte...
Aliciane, gestützt von Domna Elaine saß auf der Kante von Corrans Lager. Ich warf einen Blick auf den Leichnahm, auf Aliciane... drehte mich um und ging hinaus. Ich konnte es nicht länger ertragen.
Jetzt, mit einem gewissen, wenn auch kurzen Abstand zu dem Geschehen, ahne ich vielleicht, was los war. Zuvor habe ich so etwas nie erlebt...
Als mein Großvater starb, war ich nicht da... ich weiß, das ich mich blind und taub fühlte, als ich seinen erschlagenen Leib fand. Ich weiß das kurz darauf die Hütte brannte, in der ich zur Welt gekommen und aufgewachsen war. Aber schon damals gab es blinde Flecken... Zeit die mir abhanden gekommen war.
Doch diesmal war ich nicht allein und in den nächsten Meilen kaum eine Menschenseele. Ich war mitten unter den Menschen, die mir etwas bedeuteten... und ihre Trauer blockte die meine ab.
Mit dem Schock waren meine Barrieren verschwunden und statt selbst etwas zu fühlen, fühlte ich nur Aliciane, Rhodri... selbst Yarid und Domna Elaine...
Keine Spur meiner selbst.
Diese kamen erst zurück als ich mich abermals im Hof wiederfand.
Hier gab es Barrieren, hinter denen ich mich früher schon zurückgezogen hatte... Barrieren aus Abstand zu Menschen, Barrieren der Einsamkeit. Meine erste und einzige Sicherheit vor dem was die Menschen um mich herum fühlten.
Erst Corran hatte mir seine Art der Barrieren gelehrt, hatte mich von einem halbwilden und verstörten Tier zum Mensch werden lassen.
Niemals mehr würde mir Corran seine Barrieren leihen. Niemals mehr...
Der Gedanke, diese Erinnerung, brachte den Schmerz zurück in meinen Körper, es zerriss mich fast in zwei Hälften so wie mein Geist bereits gerissen war... als das Band riss und mich, von nun an für immer von Corran trennte... und mit diesem Schmerz kamen endlich, die ersten wirklichen Tränen.
Rhodri tauchte neben mir auf, wich nicht von meiner Seite und achtete, auf das was ich tun würde.
Mit Sicherheit befürchtete er eine erneute Dummheit von mir... genau an diesem Ort hatte ich vor zwei Jahren versucht Corran zu retten, wohl wissen, dass es wohl zum Scheitern verurteilt war. Aber eine hauchfeine Chance hatte bestanden und ich wollte nichts unversucht lassen... zu dumm nur, dass ich schon fast tot war, bis beherzte Menschen mich wieder in meinen Körper holten... Damals war Corran zurückgekommen. Ich hatte mich ob meiner Tat in Grund und Boden geschähmt.
Obwohl dies High Chapel war und mich alles hier an diesen Moment errinnerte, war ich weit entfernt davon erneut eine solche Tat zu begehen. Corran war nicht in der Oberwelt verbandt. Sein Geist hatte längst all diese Ebenen durchwandert und war auf ewig verschwunden. Er würde nicht mehr zurück kommen.
Rhodri fragte mich immer wieder, was wir nun tun sollte. Ob ich wüsste wer es gewesen sein könnte. Ich schüttelte immer und immer wieder den Kopf, doch irgendwann überwand ich mich.
Rhodri war der erste gewesen, dem die Liebe zwischen mir und Corran nicht entgangen war. Er hatte mich des Lords Lächeln genannt, als ich noch nichts als der struppige, junge Frischling in den Soldatenreihen GreenScarps gewesen war. Er war mein Freund...
Ich sah zu ihm auf und schüttelte noch mal den Kopf. Meine Augen brannten und waren heiß vor Tränen, doch vor Rhodri musste ich mich dieser nicht schämen. Ich wusste nicht wer es gewesen war. Alton und Hastur waren Möglichkeiten mit denen mein Verstand spielte...
Meine Stimme war rau und angekratzt, als ich Rhodri diese Verdächtigungen mitteilte.
Er nickte und seine Stirn runzelte sich. Auch er dachte darüber nach, er redete und wog das für und wieder ab. Worin wir uns einig waren, war, dass wir nicht genug wussten um etwas zu riskieren...
Wir durften nichts überstürzen. Auch mit den beiden Gardisten waren wir gegen die anwesenden Comyn so gut wie hilflos. Ein Aufbruch kam vor Einbruch der Dämmerung nicht in Frage... wir mussten wachsam sein und wir sollten ein wenig darüber in Erfahrung bringen, was die Leute hier über uns dachten.
Ich bat mir noch einen Moment aus, um wenigstens ein Stück meine Barrieren wieder aufzurichten, ehe wir wieder hineingingen... unser Weg führte mich durch den Saal. Ich wollte auffangen was die Menschen dachten, fühlten... es war eine Möglichkeit ohne Worte etwas über den Mord an Corran di Asturien zu erfahren. Aber alles was an meine Ohren und mein Innerstes klapperte war verwirrend. Nichts, was eine eindeutige Spur gewesen wäre...
Dom Ramon und Yarid hatten uns ihres Beistandes versichert... doch als ich in unsere Kammer trat und mich erneut Corrans totem Körper stellen musste, verspürte ich darüber keine Dankbarkeit. Ich musste wachsam sein... und ich nahm mein Schwert, schob es in die Scheide an meinem Gürtel. Ich würde es so schnell nicht mehr ablegen. Rhodri tat es mir gleich, wir handelten wie ein Mann...
Mir wohl bewusst, das die Trauer auf meinem Gesicht stand, ging ich ihn den Saal zurück und setzte mich in einen der Sessel, in der Ecke wo zuvor noch die Damen ihr munteres Plauderkränzchen gehalten hatten.
Mein Blick streifte durch den Raum und suchte die Person, die die für den Tod meines Liebsten verantwortlich war.
Was also bemerkte ich?
Bei den meisten die einfache Unsicherheit, die sich immer einstellt, wenn jemand verstorben ist. Sie musterten mich, mit Seitenblicken und zögerlich, aber niemand sprach zu mir. Viellleicht fürchteten sie sich auch. Ich hatte das Schert in der Hand und ließ den Knauf einige Male zu Boden fallen.
Dieses klopfende Geräusch erschreckte die Gesellschaft... und ich genoß ihre Furcht.
Nur für einen Moment, aber es war befriedigend zu bemerken, dass sie sich nicht mehr sicher waren, wie ich im nächsten Augenblick reagieren würde...
Mir wurde bewusst, dass die meisten hier, mich gar nicht kannten. Sie kannten Corran und die Geschichten, die man sich über den Wolf Asturiens erzählte. Sie schienen zu befürchten, dass ich, obwohl deutlich kleiner und schmächtiger als Corran, vielleicht ebenso jähzornig und unberechenbar sein konnte.
Die meisten warteten also, redeten leise miteinander und hielten mich im Blick. Nur an einem Tisch war es anders... an dem von Oktavien und Irmelin Hastur. Keine Sorge, kein Mitgefühl, das einzige was ich von dort empfing war kühle Gelassenheit und Unbekümmertheit.
Ich hielt sie im Blick und schauderte innerlich vor Furcht... selbst Mitgefühl schien ihnen fremd.
Ein Verdacht grummelte in meinem Bauch... und wurde zu einem harten Stein.
Yarid stürzte in den Raum. Ich bekam nicht mit was er sagte, aber ich sah wie er nach Alâyra griff und mitten in den Saal trat. Ich war so sehr damit beschäftigt herauszufinden was zwischen den Hastur und dem Castamir vorging, dass ich erst wirklich darauf aufmerksam wurde, als Yarid stürzte...
Er war sogleich umringt von Menschen... und ein Augenzwinkern später schien festzustehen, dass auch er so eben gestorben war.
Ich war nicht bei Sinnen... anders kann ich es nicht beschreiben... denn um ehrlich zu sein, es interessierte mich nicht länger. Wieder kratzten Trauer und Sorgen fremder Menschen an mir, aber es machte mich nur wütend. Ich wollte all diesen emotionalen Dreck andere Leute nicht. Ich wollte nur noch fort von hier. Corran an der Seite seiner Familie bestatten, Aliciane in Sicherheit bringen... ich sehnte das Tageslicht herbei, erhob mich und war schon halb auf der Treppe, als plötzliche Unruhe mich zurückrief.
Zurück im Saal bot sich ein sehr seltsamer Anblick. Yarid stand auf seinen Füßen, an seinem Tisch, rückte sich den Gehrock zurecht und hob zu der Rede an, mit der er uns alle begrüßt hatte... und ich traute meinen Augen nicht, aber Corran saß direkt neben mir.
Ich glaube gern, dass dies für jeden Menschen erschreckend war, vielleicht auch einfach nur überraschend, aber kann auch nur einer von ihnen nachempfinden wie dieser Moment für mich war?
Nein, dies kann wohl nur, wer von gleicher Art wie ich ist...
Die Gefühle gingen mit mir durch. Etwas was nicht passiert, wenn man gelernt hat, sie zu kontrollieren und seit ich um mein Laran wusste hatte ich nichts anderes getan als sie zu kontrollieren gelernt. Wegen Corran...
Ungläubige, und doch deutlich vorhandene Freude tanzte, gepaart mit tiefster Trauer, einen Walzer... und brachte mich an den Rande der Hysterie. Ich lachte laut, sehr laut...
Ich bemerkte was geschah, das ich kurz vor einem Kollaps stand und zog mich, so schnell es ging zurück, mit einem letzten Blick auf Corran noch bemerkend, das er die Welt um sich, dass er mich nicht mehr verstand.
Er sah mich gehen... und sollte er kein Spuk, kein Gespenst sein, er würde mich schon finden....
Und Corran fand mich auch nach kurzer Zeit tauchte er auf, Rhodri und Aliciane mochten ebenfalls dort gewesen sein, aber für einen Moment sah ich nur Corran...
Er war ein wenig aufgebracht, weil ich mitten in Yarids Begrüßung aufgestanden war, weil ich uns auffallen ließ und mich selbst schlecht benommen hatte. Das mochte wahr sein... und doch wieder nicht, denn wie ich aus seinen Worten schließen konnte, wusste er nicht was in den letzten Stunden geschehen war.
Ich nahm ihn in die Arme, um mir selbst sicher zu sein, dass er lebendig war. Ich spürte Ablehnung, Verwirrung, aber deutlich auch, das er wirklich war. Er war real, lebendig und einfach nur ganz er selbst, auch wenn er blass war und ein gutes Maß verängstigt. Ich hätte heulen können vor Erleichterung.
Corran reagierte auf unsere Erklärungen mit der ihm so eigenen, zu seiner Natur gehörenden Ablehnung. Es war ihm unverständlich und was er mit seinen riesigen Händen nicht zu greifen versteht, lehnt er ab... egal wie oft er schon erlebt hat, wie Laran gewirkt wird..
Doch es gab einen leichten Weg, ihm deutlich zu machen, dass wir nicht verrückt geworden waren.
Ein leichter Druck meines Geistes gegen den seinen... und ich ließ ihn an den Erinnerungen der letzten Stunden teilhaben. Corran ächzte und zitterte für einen Moment, ich kann meine Gefühle nicht von den Gedanken trennen... dann blinzelte er kurz, als ich die Verbindung brach. Er schüttelte den Kopf. Erschüttert schien er, ich konnte es ihm nicht verdenken. Dennoch, er konnte sich an nichts erinnern.
An gar nichts, was das ganze, unglaublich verkomplizierte. Denn das er nichts von der Zeit nach seinem Tod wusste, damit war zu rechnen gewesen. Aber ich hatte darauf gehofft, dass er sich erinnerte, wer oder was ihn angegriffen hatte... und in meinem Bauch hatte ich gehofft er wurde Hastur grollen... es schien mir wahrscheinlich, nach allem was wir bislang wussten... oder es waren doch Kyju und Ayanu. Konnte es sein, dass sich die dunklen Gestalten wieder an diesem Ort materialisiert hatten?
Für Corran und Yarid war keine Zeit vergangen. Sie glaubten der Abend habe gerade erst begonnen.
Corran wusste durch mich was geschehen war und doch, es viel ihm schwer seine und meine Erinnerungen in Einklang zu bringen.
Rhodri brachte die Überlegung an, das wir schnellstmöglich abreisen sollten. Aber ich sah kein Verständniss dafür in Corrans Augen.
Wie schon zuvor regte ich an, dies könne und müsse bis zum Morgen warten. Mitten in der Nacht zu reisen war ein Wahnsinn, dem ich nicht nachgeben wollte. Zum Schutze Alicianes... und auch Corran schien mir zu verwirrt um sich gegebenenfalls zu verteidigen.
Worauf wir uns aber kurzerhand einigten, und was den gemischten, wenn sich auch langsam beruhigenden Gefühlen in meinem Innern entsprach... Für die nächste Zeit, würde ich nicht mehr von Corrans Seite weichen. Ich würde da sein... und falls er abermals angegriffen wurde, würde ich bei ihm sein und für ihn kämpfen können.
Corran hatte seine Matrix gezogen, ehe er verstarb. Es war deutlich, was oder wer auch immer ihn angegriffen hatte, es hatte sich um Laran gehandelt... und wenn es vielleicht auch nicht zu verhindern war, dass es ein weiteres Mal geschah, so würde es nicht ohne jemanden geschehen, der es bezeugen konnte...
Während ich hier sitze und alles zu Papier bringe, was sich zugetragen hat, liegt Corran neben Aliciane in seinem Bett. Er schläft tief und erschöpft. Ab und an kann ich durch die Wand spüren, wie er zusammen zuckt. Träume scheinen ihn zu martern, aber ich halte mich fern davon. Ich muss, so gut es mir möglich ist, einen klaren Kopf bewahren.
Es geschah kein zweiter Angriff auf seinen Geist...
Das war ein Segen, denn um ehrlich zu sein, ich war eine ganze Weile wie paralysiert. Natürlich drängte es mich danach mehr herauszufinden, aber ich war erschöpft und die Überlegungen, was und warum all das geschehen war...
Rhodri machte mir ganz zurecht Vorwürfe. Er fühlte sich allein gelassen, brauchte meine Stärke, suchte in mir den Mann, der das Ruder in die Hand nahm, wenn Corran es nicht konnte.
Aber kein Mann ist unendlich stark. Selbst einem Berg wie Corran schwindet irgendwann die Macht sich zu verteidigen. Ein Schwert kann sinken, wenn die Arme zu müde sind es zu halten.
Vorsichtig und langsam, schilderte ich Rhodri meine Lage.
Er hatte zwar eine grobe Vorstellung von Laran, er war lange genug mit einer Leronis verheiratet, aber es hätte vielleicht eines vernünftigen Bildes bedurft, um es ihm wirklich deutlich zu machen.
Ich sprach von Blut und Veranlagungen, aber er schien mich nur halb zu verstehen...
Wie gesagt, wenn ich am Ende der Kraft bin, sind selbst einfache Worte schwer zu finden...
Hier und jetzt kann ich sie formulieren, in dem Moment konnte ich es nicht wirklich.
Pferde... es gibt Schlachtrösser, ruhige Damenpferde, Zugtiere für die schwere Landarbeit. Ein jedes
ist auf seine Art nützlich. Aber eben nur dort.
Ich bin gut darin Corran ihm Zaum zu halten, Rhodri den Rücken zu stärken wenn er an sich zweifelt... Das, diese Empathie ist ein großer Segen und ich sehe es gerne, wenn ich Menschen in kleinen und großen Dingen damit helfen kann. Aber um das zu können, muss man sein, was manche Männer, weich nennen würden. Gerade wenn es um die großen Gefühle geht, ist es schwer mich im eigenen Zaum zu halten... und wenn wir jetzt, die Furcht und Angst in mir selbst zu groß wird, dann kann ich meine Gabe nicht mehr benutzen. Sie würde nur das Gegenteil von dem bewirken, was ich vielleicht erreichen wollte. So wie ein Ackergaul nichts nutzt, versuchte man mit ihm in ein Gefecht zu ziehen...
Nun bin ich kein Tier, ich habe ein wenig mehr Verstand, und trotzdem, in manchen Situationen geht es mir wie eben jenem Ackergaul. Alles in mir schreit nach Flucht. Ich kann mich selbst nur, dank des Verstandes, dazu bringen nicht zu fliehen. Allein, und was das angeht bin ich ohne Corran allein, würde ich es also schaffen stehen zu bleiben. Aber der Angriff würde über mich hinweg rollen, ohne das ich mich je zur Wehr setzen könnte. Dort zu stehen ist alle Kraft die ich aufbringen kann...
Der Gedanke gefällt mir so wenig wie Rhodri... aber so ist es nun einmal.
Herr des Lichts, ich wurde vom Schafhirten zum Soldaten, zum Friedensmann, zum Adligen.
Es mag mir ihm Blut liegen, doch Kraft dieses Blutes werde ich nie ein voller Krieger, gar ein Berserker sein. Ich versuche so stark zu sein, wie ich kann... aber der Schafhirte, der einfache Mann, kann so wenig aus mir verschwinden, wie es das Laran könnte... und manchmal ist beides ein Stein in meinem Weg.
Was gut für GreenScarp, für Corran und unsere Familie ist, kann sich ebenso schnell in eine echte Schwäche verwandeln.
Rhodri musste mir, während wir uns in die Küche und den Dienstbotentrakt von der übrigen Gesellschaft abgesondert hatten, einfach glauben. Ich tat mein möglichstes, meine Gedanken zu ordnen...
Rhodri schien mich, was immer ich ihm auch als Antwort zu gestammelt hatte, zu verstehen. Aber er wich nicht von meiner Seite und wir berieten uns mit Aliciane leise, während Corran danebensaß. Erstaunlich ruhig, eigentlich denkt er eher laut und nicht viel, aber in dieser Nacht war es anders.
Der Tod lässt einen Mann nicht unberührt.
Wir gingen mögliche Täter durch, die sich einen Vorteil verschaffen konnten in dem sie sich einiger der Gäste entledigten... eine Gemeinsamkeit zwischen Corran und Yarid wollte mir zwar nicht einfallen, aber das Für und Wieder zu erwägen, war dennoch notwendig.
Alton... Erachtete es Dom Ramon oder sein Bruder der Lord Alton wirklich für zweckdienlich, Yarid gegenüber erst Betulichkeit vorzugeben, nur um ihn dann hinterrücks zu ermorden?
Gleichzeitig Corran zu töten und damit vielleicht Aliciane zu Schaden, war ein Nachdenken wert, aber ich konnte mich dafür nicht erwärmen. Es schien mir unrealistisch, zu weit hergeholt... und Dom Ramon war bislang nur als ehrenwerte und zu respektierender Mann aufgetreten.
Die überalterten und dem Wahnsinn verfallenen Chieris gingen mir nicht aus dem Kopf. Sie schoben sich immer wieder in meinem Schädel und machten mir das Denken schwer... es war, wie ich glaubte, nur mein Kopf, der an diesem Ei herumbrütete, denn nichts sprach wirklich dafür, abgesehen von der Kraft des Anschlages... Irgendetwas in mir glaubte aber fest daran, dass Kyju und Ayanu sich nicht allein damit begnügt hätten ein wenig Leid zu kosten.
Was und wer hatte die Kraft die Zeit zu manipulieren, oder war es nicht eher eine Manipulation der Köpfe?
Jeder Kopf konnte durch einen Alton manipuliert werden, aber gleichzeitig sicherlich nicht Leben, das einmal genommen war, wieder zurückgeben.
Hastur... eine lebende Matrix... mit dieser war es vielleicht möglich, all das zu bewerkstelligen. Gerüchte, die mir nach der Wiederauferstehung Corrans und Yarids zu Gehör gekommen waren, besagten, Oktavien wäre ein begabter Laranzu, der, ebenso wie seine Frau, lange Jahre in den Türmen verbracht habe. Dort habe er Experimente betrieben...
Hastur... blieb eine Möglichkeit, aber noch waren die Hinweise zu wage. Es brauchte handfesteres...
Ich hatte schon einmal vor lauter Bestürzung und Furcht einen König des Mordes beschuldigt... und ihm damit, auch wenn es mein eigener Großvater war, perfekt in die Hände gespielt. Ich mochte nicht erneut einem Galgen ins Auge sehen. Nicht, ehe ich nicht wirklich sicher war.
Also blieb nur abzuwarten...
Plötzlich fragte Rhodri, ob nicht Spuren zurückgeblieben waren. Etwas, wie eine Fährte, die man, vielleicht zurückverfolgen konnte. Ich schlug mir vor den Kopf. Das war es doch.., endlich ein Anker und etwas, das ich tun konnte ohne irgendjemanden aufzustören, der sich bislang in Sicherheit wog. Etwas, das nur ich finden konnte. Denn ich wusste, Corran würde an seinen Sternenstein niemanden heranlassen... niemanden außer mich.
Ich trieb ihn aus seiner Gedankenschwere und bat ihn, mir seine Matrix für einen Moment zu überlassen. Wie immer zögerte er einen Moment, aber es ließ sich leicht erklären und auch in Corran schien der Gedanke gewachsen zu sein, dass man so viel wie möglich über den Anschlag herausbekommen sollte.
Ich besorgte mir Isolierseide und kurze Zeit später hatten wir einen ersten Hinweis...
In Corrans Matrix war noch immer die Störung zu finden, die sein Tod hinterlassen hatte... aber in Corrans Kopf war sie nicht. Das war eine Diskrepanz, die ich nicht verachten konnte.
Eine Fährte...
Ich versuchte die Spur zu halten und Witterung aufzunehmen, aber ich stieß gegen eine Mauer... da war kein durchkommen für mich... und jemand Fremden konnte und wollte ich an Corrans Matrix nicht heranlassen. Ich traute niemandem hier mehr über den Weg, und Corran erst recht nicht.
Doch die Spur war da und ich sah den Hoffnungsschimmer. Es gab einen weiteren Sternenstein, der das Potential enthielt der Fährte zu folgen. Yarids Alâyra...
Ich suchte den Hausherrn High Chapels auf und stellte ihm meine Bitte ohne zu zögern. Wie ich bemerkte, hatten sich auch viele andere begonnen die Köpfe zu zerbrechen und so tat ich es ohne viel aufsehen erregen zu wollen. Dennoch, ganz allein blieb ich mit Yarid nicht. Leandra Storn, schwer besorgt, schloss sich uns an...
Sie war von daheim ausgebüchst um hierher zu kommen, und ich fragte mich ein wenig, ob es möglich war, dass zwischen Yarid und ihr mehr lief, als sie glauben machen wollten. Vielleicht war ihre Zuneigung auch nur einseitig. Konnte Yarid wirklich jemanden Lieben, der nicht Alâyra hieß?
Ich war immer noch erschöpft aber von der Fährte konnte und wollte ich so schnell nicht lassen und auch Yarid brannte nach Hilfe, und seit dem ersten mal, da wir gegen die dunklen Chieris gekämpft hatten, hatte ich ihm helfen wollen. Aber seit wir uns kannten hatte es einen wichtigen Missklang zwischen mir und seiner beseelten Harfe gegeben.
Ich habe kaum einen Funken musikalischen Verstandes... und Alâyra war eine etwas zickige Dame. Mein Unverstand regt sie auf und macht es mir schwierig.
Doch war es nicht so, dass Alâyra die Harfe verlassen hatte?
Ich fragte Yarid, ihr Verlust hatte seinen Verstand schwer zerrüttet... und angesichts von Corrans Ableben, verstand ich heute besser als je, wie Yarid in diesen Zustand geraten war.
Hoffnung schimmerte in seinem Blick, unzerbrechlicher Glaube. Alâyra, so sagte er mir, wäre über die Jahre wieder zurückgekehrt, nicht mit aller Stärke, doch von Zeit zu Zeit könne er sie spüren...
Das freute mich und war eine Erklärung dafür, warum er stabiler erschien, als damals, als unsere Wege sich trennten. Diese Harfe war etwas ganz besonderes und ich bat Yarid um die Erlaubnis, nach seiner Herrin zu suchen...
Wir machten uns zu dritt ans Werk, Yarid, Leandra und ich.
Ich vermutete die gleiche Erinnerung zu finden, wie auch in Corrans Sternenstein und gleichzeitig schlich sich die Hoffnung ein, dass es mit Alâyra vielleicht möglich war zu sprechen. Sie hatte es schon einmal getan, auch wenn ich Schwierigkeiten hatte sie zu verstehen. Vielleicht hatte sie die Antwort...
Es würde mir eine deutlich ruhiger Nacht bescheren...
Doch wie sich herausstelle, war es unmöglich. Während Yarid eine Melodie anstimmte und langsam in der Harfe versank, folgte ich ihm und rief den Namen seiner Schönen Frau... ich spürte sie, sie kam mir sogar entgegen, aber kaum war sie in unsere Nähe gekommen, zerbrach die Verbindung. Die Töne der Harfe verzerrten sich, ich glaubte Schmerz zu spüren, aber ich konnte mir nicht sicher sein. Da war die Mauer, die auch Corrans Matrix beschmutzte. Ein dunkler Fleck, wie von Haftfeuer verbranntes Gestein. Die Verbindung riss...
Es war das gleiche, sowohl bei Corran als auch bei Yarid und es war eine Spur, doch hier und jetzt, war es uns nicht möglich weiter fortzudringen. Wir überlegten ob nicht ein Kathalysator helfen konnte die Barriere zu überwinden. Ich dachte an einen Musiker, der Alâyras Stimme zu deuten vermochte...
Doch für einen weiteren Versuch fehlte die Kraft und wir beschlossen es zu vertagen. Morgen aber, morgen würden wir einen weiteren Versuch starten.
Denn die Bedrohung bleibt und ich denke, es wird keine Jagd geben, es sei denn die nach den Spuren.... der Tag blinzelt nun mattes Licht ins Fenster, während ich diese letzten Worte schreibe. Die Vögel zwitscherten schon, noch ehe die rote Sonne zwischen den Hügeln Altons emporkroch. Nun tagt es. Es wirkt alles ganz friedlich und normal und ein wenig zehre ich von diesem Gefühl, einfach um mich trotz einer von Sorgen durchzogenen und schlaflosen Nacht, zu erholen. Ich kann jeden Fetzen Kraft, der sich finden lässt, brauchen...
Vielleicht reisen wir ab, vielleicht wird es aber auch nötig werden den Täter zu ermitteln. Beides soll mir recht sein. Ich spüre kein Verlangen unnötige Risiken einzugehen. Corrans Leben ist mir zu kostbar... und doch, was immer auch kommt, ich werde bereit sein.
(Fionn schließt das Büchlein, siegelt es und verbirgt es zwischen seinem Gepäck. Corran und Aliciane schlafen noch... er schleicht sich wieder hinaus. Es ist ein Risiko aber er braucht dringend etwas zu essen und abermals sehnt er sich nach der frischen, kalten Luft eines Herbstmorgens in den Kilghards. Er wird versuchen noch ein wenig ruhiger zu werden und sich dann den Herausforderungen des nächsten Tages wieder zu stellen.)
Durch die durchwachte Nacht war der nächste Tag für mich irgendwie immer noch der gleiche, oder auch nicht, denn über die dunklen und letztlich auch stillen Stunden der Nacht schien sich unter den anwesenden Comyn, einiges verändert zu haben.
Wer von ihnen fragte sich, ob er vielleicht der nächste Tote wäre?
Ich weiß es nicht, aber ich hoffte, das sich die Sorgen nicht mehr allein nur den Menschen aufbürdete denen Corran und Yarid etwas bedeuteten.
Zunächst blieb für uns eigentlich nur abzuwarten, ob Corran sich in der Nacht entschieden hatte abzureisen. Die Chancen dafür standen gut... und sollte er sich dazu entschließen, blieb mir nichts als ihm zu folgen. GreenScarp und die Sicherheit seines Lords, waren wichtiger.
Ich betete es mir wie ein Mantra vor, und es half es nicht zu vergessen, derweil ich um mich herum hier und da etwas hörte, was ein Hinweis vielleicht auch nur ein Gerücht sein konnte. Zumindest schienen sich die meisten nun ebenfalls Gedanken zu machen und sahen nicht nur ihre eigenen Interessen wie derer von Hastur.
Mich ließ es vor Zorn beben, wenn ich die übrigen Familien darüber reden hörte, wie Hastur, sowohl die Tode als auch das Erwachen, für eine Theateraufführung gehalten und applaudiert hatten. Mit ihrem Mitgefühl war es also nicht weit her...
Kaum war Corran wach und nach einem großen Becher Jaco wieder bei genug Verstand um ihn zu belasten, erneuerten wir geschlossen die Frage der Abreise... und irgendwie hatte ich es im Gefühl, dass wir alle ihn gerne einfach unter die Arme gegriffen hätten und ihm auf sein Pferd geholfen.
Aber er entschied anders...
Er wollte bleiben. Der Schlag gegen sein Leben hatte ihn getroffen und er wollte wissen was dahintersteckte. Es verängstigte ihn, auch wenn er es nach außen nicht sehen ließ. Ich sah es, und Aliciane sicherlich auch. Corran scheute keinen Kampf... vor einigen Jahren war dies noch anders gewesen solange es sich um Laran handelte, aber auch das hatte sich scheinbar verändert.
Dennoch ging ich sicher, dass es wirklich sein eigener Wille war. Irgendwer war schon einmal durch seine Mauern gedrungen und hatte ihn manipuliert, hatte ihn getötet... doch ich bekam rasch und ohne Probleme Zugang zu Corrans Geist und fand dort nichts, was nicht zu ihm gehörte.
Die dunkle Kiste in seinem Innern, die seine Gabe verbarg, war fest verschlossen.
Als genug Gäste erwacht waren und gefrühstückt hatten übernahm Yarid die Führung.
Er trommelte sie zusammen und bat einen jeden darum seine Erkenntnisse mit den anderen zu teilen... Ich gesellte mich zu ihm und wir lauschten den unterschiedlichsten Meinungen und Ideen, den Spuren, die verfolgt und verworfen worden waren.
Ich kam relativ schnell zu dem Schluss, dass die einzige wirklich gute Möglichkeit, der Plan war, den Yarid und ich noch in der Nacht entworfen hatten. Ich wollte ihn am liebsten angehen...
… aber es ist auch nicht verkehrt, einfache und ebenso begründete Verdachtsmomente auszuschließen, so sie sich denn derart anbieten wie das Kind von Amelie.
Denn sie hatte dem ein oder anderen wohl anvertraut, vermutlich angestochen von den Verdächtigungen des letzten Abends, das es ein Kind einer Nacht unter vier Monden war.
Gar nicht gezeugt auf GreenScarp, das hätte sie mir ruhig schon gestern sagen können.
Ob es denn möglich sei, das dieses Kind bereits aktiv...
Meine Stirn runzelte sich, nicht weil ich erst überlegen musste, sondern weil ich mich fragte was für Menschen ich hier gegenüberstand. Hatten die anwesenden Comyn und Leronyn denn nie etwas gelernt?
Ich schüttelte den Kopf darüber, und musste mich arg zusammen nehmen...
Das Amelie es nicht wusste war ihr nicht vorzuwerfen. Sie hatte selbst keine Ahnung. Aber solche Fragen von Turmleronyn und Comyn, die doch ach so stolz auf ihr Pinnchen Chieriblut in den Adern waren? Jasper von Dalereuth, mein Bewahrer, der mich durch die Ausbildung geführt hatte, hätte sich im Grabe herumgedreht...
Ehe darüber noch weiter lamentiert werden konnte entschloss ich mich zu Handeln. Ein Blick auf das Kind, eine kurze Überwachung, sollten genügen um sich Klarheit zu verschaffen. Danach würde sich alles durch das aktivieren eines Dämpfers beheben lassen, dem Kind würde kein Leid geschehen und sollten wir danach Alâyra noch einmal untersuchen, würden wir sehen, ob sich die Störung behoben hatte.
Praktisch denken, praktisch Handeln und mit dem einfachsten beginnen...
Daran hielt ich mich fest und entschuldigte mich bei den übrigen. Ich würde mich dieser Frage eben annehmen.
Amelie war lieb und nett, so wie ich sie kannte und scheute auch nicht davor zurück mir das Kind zu zeigen. Es dauerte allerdings, da es zur Zeit schlief und erst geholt werden musste.
Eingewickelt wie es war, sah ich kaum mehr als sein Gesichtchen, aber es war von solch annehmender Schönheit... wirklich beeindruckend. Amelie war eine hübsche Frau, aber dieses Kind hatte etwas übernatürliches. Vorsichtig zog ich eines seiner Händchen aus den Decken in die es gewickelt war und zählte laut, damit auch die, die es nicht sehen konnten mich hörten, die Fingerchen.
Es waren sechs.
Dieses Kind war sicherlich mit der entsprechenden Menge an Chierieblut geboren worden. Vielleicht hätte ich Domna Elaine fragen sollen. Zumindest einige ihrer Kinder sollten ähnliche Merkmale aufweisen... aber ich wurde von einem drängelnden Yarid unterbrochen, der unbedingt, und jetzt sofort noch einmal zu Alâyra durchstoßen wollte.
Da er mir nicht so aussah, als würde er sich noch länger gedulden, übergab ich Amelie und das Kleinkind in die Hände von Melissandra Acosta und überließ es ihr, die Untersuchung zu übernehmen.
Yarid fand ich ihm Saal, er hatte bereits dafür gesorgt, das sich Julianna Ardais als weitere Katalysatorin zu uns gesellte und ich erläuterte ihm noch, welche Idee ich wegen meines Problems mit der Musik hatte. Yarid grinste mich an. Natürlich ihm als Barden war es völlig unverständlich, warum ich mich mit so etwas so schwer tat, aber er wusste genug von mir, um nicht weiter zu diskutieren...
Man kann nicht alles können, für einen Moment schämte ich mich zwar, doch dann dachte ich an die Diskussion nach dem Frühstück und richtete mich wieder auf. Die Comyn konnten noch nicht mal logisch denken...
Ich grinste zurück und wartete bis Yarid sich für den passenden Kandidaten entschieden hatte. Es war Geredd MacAran, der in der Nacht zuvor die Katze befragt hatte. Der einzige Zeuge bei Corrans Ermordung... aber auch sie hatte nichts gesehen, nur die Macht verspürt.
Was immer es gewesen war, es war davon auszugehen, dass es aus einiger Entfernung geschehen war. Keine direkte Konfrontation.
Soviel dazu, aber ich schweife ab.. zurück zu unserem Studium der Harfe und ihrer zweifach beseelten Matrix.
Letztendlich fanden sich fünf Menschen, die bereit waren sich dem zu widmen.
Leandra Storn als Überwacherin, Geredd MacAran, der selbst die Laute spielte, für Alâyras Stimme, Julianna Ardais um die Mauer zu durchbrechen und Alâyra aus ihrer Gefangenschaft zu befreien, dazu noch Varzil Storn, ein weiterer Nedestro der Familie, der mir allein schon, weil er mich an Edric erinnerte sympathisch war.
Ich selbst, weil ich die zickige Dame schon kannte, zudem Yarid mir immer noch ungebrochen vertraute.... ich würde sie rufen.
Wie immer wenn sich einander fremde Personen zusammenfanden, war dies mehr als nur problematisch. Jeder Bewahrer, jeder Turmkreis hat seine eigenen Arbeitsmethoden und Ansatzpunkte, es ist nicht einfach... ich hatte es selbst schon versucht und war dramatisch damit gescheitert.
Wir versuchten, ein jeder so, wie er es eben konnte, unsere Idee in Handlungen umzusetzen.
Ich rief Alâyra und wie schon am Abend zuvor hatte sich sofort als Yarid zu spielen begann das Gefühl, ihrer Präsenz. Es war hauchzart, aber vorhanden. Sie schien sich in den Klang der Harfe einzumischen, sich selbst in die Töne zu begeben...
Ich schob all meine Kraft in den Wunsch einer Begegnung mit ihr... und sogleich verzerrten sich die Töne. Quälende, falsche Töne die selbst mit Banausen nicht entgingen.
Jetzt war es an Garedd und Julianna zu übernehmen. Ich hielt nur, so sehr es auch zu Schmerzen begann, an der Verbindung fest.
Was immer die beiden auch taten, es ist mir nicht mehr präsent... ich vermute eben, dass es an den unterschiedlichen Methoden liegt, die wir anwendeten und sicherlich auch an dem Krach, der zeitweilig aus Yarids Harfe drang.
Irgendwann konnte ich den Kontakt nicht mehr halten... er zerriss mir, wie ein gespanntes Seil, das an einer Felskante abgescheuert wird. Nur gut, das es nicht weit zu Fallen war. Ich kam wieder zu mir und fühlte mich zerschlagen und ausgelaugt.
Das Ergebnis unserer Bemühungen war bestürzend. Wir waren nicht einen Schritt weitergekommen als am Abend zuvor. Eine Barrieren aus fremder Energie blockierte den Weg zu Alâyna... und bei dem Versuch zu ihr durchzudringen hatten wir versagt.
Ich zog mich zurück, ich wollte wissen, was Melissandra über das Cheriekind in Erfahrung gebracht hatte, außerdem würde ich in der Küche vielleicht etwas zu essen finde, dass nicht süß und klebrig war. Vorerst musste ich wiederum meine Kräfte schonen...
Corran ging es gut, so vergewisserte ich mich und auch wenn sich noch kein Erfolg abzeichnete, er hatte noch nicht seine Sachen gepackt.
Melissandra hatte in Erfahrung gebracht, das die Gerüchte um das Kind wohl stimmten, es stammte von einem Chieri und dementsprechend war sein Laran bereits aktiv...
Geredd erklärte sich bereit den Dämpfer, zu reparieren, den Yarid aus der Kammer geholt hatte, in der er all das Gerümpel von Janis Alton hatte verschwinden und versiegeln lassen.
Wäre er fertig gestellt, dann konnte das Kind ruhig weiter schlafen und zumindest von ihm würden keine Störungen mehr ausgehen.
Derweil hatten sich die beratenden Grüppchen wieder zerstreut und die meisten gingen irgendeiner Tätigkeit nach.
So hatte sich bei der verlogenen Hausleronis und Hebamme wohl eine Matrix gefunden.
Das eine Hausleronis auch einen Sternenstein besaß sollte nicht verwundern, welche, egal wo tat das nicht? Vielleicht eine die selbst eine Lebende Matrix war, aber davon sollte es nicht viele geben.
Doch es handelte sich nicht um ihre Matrix, sondern um eine die vom Schmiedevolk stammen sollte.
Schmiedevolk? Hier auf Altonland?
Madri würde seinen Stab zurückverlangen, den er mir einst vermacht hatte, wenn ich daran auch nur einen Gedanken verschwendete. Das Schmiedevolk, wie ich aus erster Hand, eines schmiedevölkischen Zauberers und Priesters erfahren hatte, gewann alle Macht durch Sharra.
Jede ihrer Matricen wurde durch die Göttin des Feuers belebt... und eben jene, würde sicherlich nicht dafür sorgen, dass Corran starb.
Sharra und Corran hatten ein ganz besonderes Verhältnis zueinander.
Ich schmunzelte ob der Erinnerung an einen Kuss, leise vor mich hin.
Aber ich ließ die Leronyn unter denen wie ich hörte auch Dom Ramon und Dom Oktavien waren, in Ruhe weiterarbeiten. Was auch immer sie herausfinden würden, wo auch immer diese Matrix wirklich herstammte... vielleicht war sie ja doch auf die ein oder andere Art der Schlüssel zu den rätselhaften Todesfällen.
Sie hatten ihren ersten Versuch an die Leronis und ihren Stein heranzukommen, gerade beendet und ich hatte eigentlich das Gefühl, mich genug gestärkt zu haben, als Colin Storn durch die Küche stürmte. Er führte eine Welle der Angst mit sich und trieb mich in eine Art von Panik, die mir vertraut war...
… und doch wieder nicht. Ich stand kaum zwei Schritte von dem Dämpfer entfernt, der das Kind vor sich selbst schützen sollte...
Meine Augen wurden zu kleinen Schlitzen, ich rang die Gefühle von Panik hinunter, inspizierte das Gerät misstrauisch und setzte mich schließlich daneben.
Es war unheimlich....
Ich versuchte es den anwesenden Telepathen verständlich zu machen, aber irgendwie hörten sie mir nicht richtig zu, oder sie begriffen einfach nicht.
Da stand ein aktiver und völlig intakter Dämpfer auf dem Tisch und trotzdem krochen Wellen der Angst durch den Raum?
Mellisandra hörte mir zu, ebenso wie Rhodri und Angus MacGregor der Musikinstrumentenbauer...
Zwei einfache Menschen, und nur eine einzige Leronis.
Es war lächerlich, aber selbst Yarid nahm mich nicht ernst.
Alton und Hastur mochten keine Ahnung haben, aber sie hatten mehr Autorität.
So etwas kann einen manchmal ebenso ankotzen, wie der Knoten im Magen, die Furcht, die nur für mich durch die Wände zu dringen schien.
Ich wiederholte meine Feststellung immer wieder, bis ich mich schließlich nicht mehr halten konnte. Meine Barrieren schienen mit jedem Moment den ich weiter in diese Raum verbrachte, dahinzuschmelzen... und das letzte was ich wollte war zusammen zu brechen und Corran im Stich zu lassen. Ich verzog mich an die frische Luft... und prompt besserte sich mein Zustand.
Es war so eindeutig. Dieses Haus war gefährlich, oder etwas darin. Vielleicht war es die Matrix, die sie gefunden hatten... nur ergab es keiner Sinn weiter an ihr herumzumanipulieren und zuzusehen, wie wie die stärksten Telepathen bezwang.
Bedachte denn niemand außer mir, was es zu bedeuten hatte wenn die Barrieren brachen?
Corrans mussten schon in der Nacht gebrochen worden sein, und es waren Barrieren die für gewöhnlich sogar einem Hastur oder einem Alton standhielten.
Meine Barrieren hatten längst nicht diese Qualität. Ich musste mit viel weniger Blockaden in meinem Kopf, aber vorallem meiner Haut, zurecht kommen.
Jeder Schritt in dieses Haus hinein, würde mich unfähig machen, Corran gegebenenfalls zu helfen... und sie würden mich vielleicht auch zu einer Marionette machen.
Ich hatte kein Problem damit zu akzeptieren, dass die Wahrscheinlichkeit hoch war, dass es mit dieser Matrix zusammenhing, auch wenn ich sie bislang nicht einmal gesehen hatte.
Womit ich ein Problem hatte ist die Dummheit meiner hier anwesenden Mitmenschen. Natürlich war es auch die Furcht, die mich erfasst hatte, die mich zu dieser Verweeigerungshaltung brachte, aber ich bin immer bereit den Menschen um mich herum zuzuhören... sie waren es nicht. Sie stürmten voran... und hatten anschließend mit den Konsequenzen zu leben.
Es war so deutlich, als Colin Storn aus dem Haus stolperte, zornig, tobend. Gestern Abend war er noch ein ganz normaler und recht sympathischer junger Mann gewesen... nichts schien davon noch übrig. Er tobte herum, entzog dich dem Zugriff seiner Freunde... er war nicht mehr er selbst. Ich musste an Áine denken, die damals auch gewirkt hatte als wäre sie besessen.
Bald erfuhr ich, dass die Leronis ihn berührt hatte. Nicht einfach nur berührt... sie hatte ihrer Hände über seine Matrix gehalten. Sie hatte ihn unter ihre Kontrolle gebracht...
Rhodri versuchte zu verstehen was hier geschah, er war gewarnt... und ich versuchte was ich konnte von hier draußen aus. GreenScarp warnen... auf die übrigen Leute nutzlos einreden. Die Entscheidung nicht mehr ins Haus zurück zu gehen war gefallen. Ich bin vielleicht nicht wichtig genug, dass man mir Glauben schenkt, aber wichtig für GreenScarp bin ich allemal.
Ich wartete ab... vielleicht kam der Rest der Leute hier ja allein zur Besinnung.
Sie kamen nicht zur Besinnung... und leider waren sie nicht die einzigen, die die Folgen ihres Handels zu ertragen hatten.
Colin war wieder nach drinnen verschwunden und ich wartete ab was weiter geschehen würde.
Da niemand auf mich hören wollte, oder mich für überempfindliches Weichei hielt, direkt ins Gesicht sagt einem ja so etwas niemand, stellte sich ein ruhiger Hohn bei mir ein.
Ich wusste was ich tat...
Colin kam abermals aus dem Haus, noch immer tobend und jeden der ihm über den Weg lief provozierend. Er stieß seine Schwester von sich wollte sogar Corran an die Wäsche...
Ich war es Leid, die übrigen taten nichts, sondern faselten nur auf ihn ein, als wäre er nichts weiter als ein schlecht gelauntes Kind. Letztlich zog ich sein eigenes Schwert und schlug ihn damit nieder. Er bemerkte es nicht einmal, so rasend war er vor Zorn. Bewusstlos, ruhig, keine Belastung mehr für mich, keine für Corran.
Leider blieb er nicht liegen, sondern stand kurze Zeit später wieder auf. Da dies ganz und gar nicht normal war, brachte ich mich vorerst einfach nur in Sicherheit. Er suchte sein Schwert, das ich Domna Elaine in die Hand gedrückt hatte... dann ließ ich ihn gehen.
Draußen beruhigte es sich wieder, und ich bastelte abermals an meinen Barrieren. Es ist so furchtbar anstrengend zu versuchen sie aus Granit zu meißeln.
Kurz darauf öffnete sich die Tür und Corran kam heraus. Meine Nachricht musste ihn endlich erreicht haben. Doch es war bereits zu spät. Er schwankte er beim Gehen, hielt sich die Stirn... er schwitzte stark und klagte, das seine Barrieren nicht länger hielten. Es war erschreckend.
Corrans Barrieren sind die Scheide eines zweischneidigen Schwertes. Er wurde verwundbar, wenn sie fielen... so erginge es jedem Laranzu, aber Corran wurde auch gefährlich.
Ich fing ihn in meinen Armen auf und hielt ihn fest, während gleichzeitig meine Kräfte um seinen Geist band.
Ich wusste was ich tat. Ich hatte genau das schon viele Male getan. Ich musste mich mit ihm verbinden und die Urgewalt in seinem Inneren zu mir führen. Das Gefäß füllen....
Dies tat ich mittlerweile instinktiv, zu oft schon war es nötig gewesen. Doch diesmal war es stärker als ich es je erlebt hatte. Corran wimmerte und begann die Besinnung zu verlieren... das mochte uns retten, wenn er nur schnell genug bewusstlos wurde. Doch Corran war ein zäher Kämpfer.
Ich schaffte es nicht ihn noch lange zu halten, wenn ich auch brach, dann würde die Urgewalt lostoben... und Schreckliches anrichten. Meine eigenen Barrieren taugten nichts und ich hatte nicht die Kraft, das illusorische Gefäß in meinem Innern, das langsam überquoll zu leeren.
Kurz bevor alles zu spät war, bekam ich Hilfe. Leandra und Julianna (?) stürmten herbei und gingen mir zur Hand.
Gemeinsam errichteten wir eine Barriere.... und hielten sie, bis Corran in gnädige Bewusstlosigkeit sank. Es war eine kräftezehrende Angelegenheit, und wir waren völlig erschöpft als es zu Ende war.
Corran lag da, nicht bei Sinnen, aber atmend. Vielleicht war es so besser für ihn... als letztes hatte ich eine junge Präsenz gefühlt. Ein junger Mann. Der einzige auf den dies hier zutraf war Colin Storn... und es passte.
Wäre er er selbst gewesen hätte er sicherlich nicht versucht Corran anzugreifen, er war nicht dumm, nur jung und unerfahren. Ein passendes Opfer für den, der hier seine Scherze mit uns trieb.
Dieses Problem musste aus dem Wege geräumt werden, doch ich wusste leider immer noch nicht wie und Corrans Zusammenbruch, hatte mich, was meine eigenen Fähigkeiten anging, wieder zurück geworfen.
Also füllte ich mich einstweilen mit Honigtee ab. So süß, dass einem die Zähne davon schmerzen mochten...
Es hätte des letzten Kampfes nicht wirklich bedurft, aber Corrans Zusammenbruch, sein erneuter Kampf mit den Barrieren hatte es noch einmal deutlich gemacht. Was immer hier geschah, es brachte die stärksten Telepathen zu Fall. Es spielte mit ihnen.
Und wo Corran einer der Stärksten war, war ich zwar talentiert, aber durch die Empathie so verletzlich wie ein frisch geworfenes Rabbithorn. Ich traute mir selbst nicht über den Weg, in schweren Zweifeln darüber, ob ich es bemerken würde, wenn mich etwas Fremdes übernehmen würde...
Also wartete ich ab, die Furcht im Nacken, die sich vor allem gegen mich selbst richtete, doch die Augen wach und die Ohren offen. Was immer geschah, während ich hier ausharrte... sollte sich eine Chance ergeben, den Feind doch zu stellen, so würde ich zugreifen.
Aber nur, wenn ich mir sicher sein konnte worum es sich handelte.
Was geschah als nächstes? Ich versuche es in Worte zu kleiden, aber das wenigste davon habe ich persönlich mitbekommen. Ich beobachtete nur, hielt mich heraus, und dokumentiere jetzt nur, was ich erzählt bekam... gesehen habe ich nichts davon.
Es fand wohl einer weitere Untersuchung der Matrix statt, zu diesem Zeitpunkt war sie wohl nicht mehr in den Händen der Leronis, wenn doch, es ist eigentlich nicht wirklich wichtig... das nächste was ich hörte war, das der Hastur sich der Matrix angenommen habe.
Hier gab es verschiedene Meinungen, die einen behaupteten sie wäre in seinem Besitz, die nächsten er habe sie absorbiert. Wie auch immer... der Hastur interessierte mich nur in sofern, als dass er einer der übrigen starken Telepathen war und damit ein neues Opfer für meine Theorie...
Diese erklärte ich schließlich auch Yarid, der in einem verwirrten Zustand, der mir sehr bekannt vor kam, aus dem Haus trat...
Irgendwer hatte erzählt er habe Oktavien, der die Matrix bei sich hatte, versucht diese zu entlocken. Yarid, der eigentlich genau wissen sollte was passierte wenn man eine Matrix berührte hatte ihn angefasst... und besessen von der fremden Macht, hatte Oktavien ihn getötet.
Nur schien Yarid neuerdings zu den Unsterblichen zu gehören. Er war wieder da, hatte abermals einen Gedächnisverlust und war, in seiner Verwirrung endlich wieder offen dafür mir ein wenig zu lauschen.
Ob es in diesem Moment half weiß ich nicht, aber er schien sich zu entschließen die Matrix endlich hinter Schloss und Riegel zu bringen anstatt weiter an ihr herumzufummeln.
Nur war die Matrix verschwunden, sie hatten sie dem Hastur abgenommen und seither wusste niemand mehr wo sie war...
Vielleicht hatte der Hastur sie ja immer noch, ich wusste es nicht, ich war jetzt noch weniger bereit als zuvor irgendeinen Handschlag zu tun.
Mit der wachsenden Furcht davor selbst von Besessenheit gepeinigt zu werden und dem Chaos das ich um mich herum erlebte, war es ein Ding der Unmöglichkeit vertrauen zu fassen.
Yarid schien akzeptiert zu haben das mir nicht zu trauen war, auch wenn er sicher von seinem Freund enttäuscht war, anders aber verhielt es sich mit den übrigen, die sich entschlossen hatten in einem Kreis nach der Matrix zu suchen...
In einem Kreis. Alle durch ihr Laran verbunden, mit offenen Barrieren..
Hatten sie immer noch nicht begriffen, dass so etwas der größte Unfug war, solang wir nicht wussten womit wir es zu tun hatten?
Corran hält mich für gewöhnlich für ruhig und besonnen, aber mittlerweile war ich eigentlich bereit einen jeden hier am Kragen zu packen und zur Besinnung zu schütteln. Sie machten das Problem immer größer statt kleiner...
Ich blieb bei meiner Weigerung mich ihnen anzuschließen. Das ließ mich wie einen Feigling wirken, aber damit konnte ich besser leben, als damit, durch eine Dummheit meinen bewusstlosen Liebsten und seine schutzlose Frau in Stich zu lassen.
Doch der Plan blieb bestehen, und aus irgendeinem mir nicht verständlichen Grund wollten sie wirklich jeden Telepathen im Kreis haben. Jeden. Selbst die, die wie ich Furcht davor hatten oder ihre Gaben gar nicht kontrollieren konnten... die für jeden normalen Kreis schon nichts taugten, weil sie alles andere als entspannt waren.
Als selbst Ramon Alton sich dazu herab ließ mit mir zu sprechen, setzte ich ihm all das, was ich zu diesem Zeitpunkt schon Dutzende Male erzählt hatte, abermals auseinander.
Meiner Meinung nach war niemandem zu trauen, der seine Barrieren nicht halbwegs im Griff hatte. Nein, ich muss mich korrigieren, da es vorrangig die Stärksten traf, war wirklich niemandem zu trauen. Keiner Menschenseele...
Mir schoss dies gerade durch den Kopf, da war es auch schon zu spät...
Das letzte was ich noch weiß ist, wie Dom Ramon nach meiner Hand greift... und eine Welle, nein, ein brennendes Feuer aus Angst, das meinen Körper ergriff.
Es fraß mich auf, ich verschwand und weiß kaum noch etwas...
Als ich wieder erwachte lag ich stand ich für einem Moment im großen Saal im nächsten lag ich auf dem Boden vor Rhodris Füßen und wusste nicht wie mir geschehen war.
Ich schien nicht mehr als ein kleiner Knoten aus brennender Angst zu sein. Mein Körper war kalt... eiskalt... und ich war so verwirrt, als habe mir jemand über den Kopf geschlagen.
Das nächste was ich sah war Alicianes vor Sorge gefurchtes Gesicht. Sie half mir auf... ich erinnerte mich nicht daran in den Saal gegangen zu sein. Kein Stück, ich erinnere mich nur dort aufgewacht zu sein.
Sorge.
War ich auch gestorben?
Das war mein erster Gedanke, aber nichts davon sah ich in Alicianes Gesicht, ebensowenig wie in Rhodris.
Sie folgten mir und wir besprachen uns draußen vor der Tür.
Rhodri erklärte mir, ich seie in den letzten Minuten sehr, sehr seltsam gewesen.
Ich wäre streifbeinig ins Haus gegangen, habe nichts und niemanden beachtet und stumm die Situation beobachtet. Meine Miene war ohne jede Form von Gefühl gewesen... meine Stimme steinern. Ich hatte immer wieder, egal auf welche Frage in den gleichen formlosen und unnatürlichen Worten geantwortet. Nur in meinem Blick habe es geflackert.
Furcht kroch meinen Nacken hinauf. Ich fragte sie, ob irgendwer gesehen hatte was geschehen sei nach dem Dom Ramon mit mir gesprochen hatte... und dann purzelten die Zusammenhänge über mich ein.
Dom Ramon habe die Matrix besessen, oder sie ihn. Scheinbar hatte sie ihn dazu gebracht Besitz von meinem Willen zu ergreifen. Auch für Rhodri ergab es jetzt einen Sinn, ich hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt, als er sich durch einen Angriff Dom Ramons verletzt hatte.
Denn Dom Ramon war es, der die Matrix bei sich getragen hatte. Sie hatten sie ihm durch ein kompliziertes Unterfangen wieder abgenommen.... jetzt war sie in Sicherheit.
Aliciane sagte sie würden sie hinter Schloss und Riegel bringen...
Corran ging es ein wenig besser... das tröstete ein wenig, aber dennoch, das Gefühl von einem Alton gesteuert zu werden, werde ich so schnell nicht wieder los werden. Von nun an, wird mich immer eine gewisse Furcht deswegen beschleichen. Ich weiß es... wäre Corran doch nur da gewesen. Rhodri hatte hilflos dabei zugesehen, Aliciane war erst später dazugekommen.
Ich vermisste meinen Liebsten. Er hätte mich beschützt, verhindert, dass, wer auch immer mit mir spielte...
Es war genau das geschehen, vor dem ich die Leute hier die ganze Zeit gewarnt hatte, und es war pures Glück, dass ich nicht zu schlimmerem benutzt worden bin.
Aber dieses Gefühl, das einer Vergewaltigung sehr, sehr nahe kommt... es machte mich auch wütend genug nicht länger herumzusitzen. Ich wartete noch ein Weilchen, bis sich meine Sinne beruhigt und mein Körper sich wieder wie der meine anfühlte, dann ging ich hinein.
Um mich zu überzeugen, dass die Matrix versiegelt wurde... und um zu sehen, wie weit die Leute sich in der Zwischenzeit geeinigt hatten.
Doch statt sie endlich hinter Schloss und Riegel zu bringen lag das Ding auf dem Tisch... und sie stritten darüber wie sie zu versiegeln sei und was sonst noch so zu tun sei. Ich traute meinen Ohren nicht, wirklich. Was musste noch geschehen bis sie endlich einsahen, dass man die Gefahr zu bannen hatte.
Die einzige, die mir halbwegs bei Verstand schien, war Irmelin Hastur, und das sage ich sicherlich nicht, weil sie mir schon so sehr ans Herz gewachsen war. Aber die Frau hatte einen Kopf zwischen den Schultern wo bei den übrigen scheinbar nur Schweineblasen voller Luft saßen und mehr nach Comyn aussahen als Comyn darin war...
Der Bauer in mir schauderte angeekelt. Zu solchen Leuten hatte man mich einst gezwungen aufzusehen... Abkömmlinge der Götter... Pah!
Sobald es nicht um Tanz, Krieg oder die neueste Mode ging waren sie Überfordert und quatschten sich lieber Löcher in den Bauch anstatt wenigstens erstmal für Sicherheit zu sorgen.
Nur Irmelin hielt ihnen stand und bot ihnen die Stirn, sprach die Wahrheiten aus... und über kurz oder lang, hörte ich mich ihr zustimmen. Sie hatte in allem was sie sagte recht. Es galt, dieses Ding zu bannen, diesen Kristall...
Seit Hastur ebenso wie Corran davon befallen gewesen war, war mir klar, das ich gut daran getan hatte keine Anschuldigungen gegen den Hasturprinzen fallen zu lassen. Jetzt entlastete ich sie auch aller anderen Vorwürfe. Domna Irmelin hatte recht... es galt zu handeln. Und ich nahm in Kauf, das ich mit meinen unterstützenden Worten Yarids Unmut auch auf mich zog...
Denn war die Matrix weggesperrt, dann wäre Alâyra vielleicht nie wieder zu ihm sprechen. Ich wusste wie sehr er sie vermisste und so war ich es auch, der ihm folgte, als er verzweifelt den Raum verließ.
Wir redeten lange und ich war froh darum, dass er dazu noch bereit war nach allem was geschehen war... und oh Wunder, er hörte mir zu.
Ich bewog ihn langsam dazu, sich meiner Meinung anzuschließen.
Als erstes war die Matrix endgültig zu versiegeln und wegzuschließen. Danach...
Nun, mir war die Idee am liebsten sie einem der Türme anzuvertrauen und die damit in kundige und erprobte Hände zu bringen. Aber Yarid war dazu nicht wirklich bereit. Er bangte um Alâyra.
Ich verstand ihn und zwang ihn zu nichts, aber als wir in den Saal zurück gingen, wo wir bereits erwartet wurden... war er zumindest bereit allen eine Pause zu gönnen.
Das Ding aus Zandrus Höllen wurde endlich weggepackt und die meisten Anwesenden akzeptierten auch den Vorschlag eine Ruhepause einzulegen. Ein Angriff war nicht zu erwarten, solange die Matrix in dem versiegelten Kasten blieb und keiner mehr ihr nahe kam... und es würde die erhitzten Gemüter abkühlen.
Nach Schlaf war mir nicht zumute, das Gespräch mir Yarid hallte noch nach...
Ich besorgte mir einen Jaco, denn ob ich wollte oder nicht erschöpft war ich trotzdem. Ich hatte nicht mehr geschlafen seit wir gestern Morgen aufgebrochen waren, seit dem war für mich eine Ewigkeit vergangen. Ich war völlig und müde, und doch, ich fand keine Ruhe.
Würde ich es fertig bringen nichts zu tun als abzuwarten?
Nein, nicht mehr, spätestens seit der Alton mich gezwungen hatte etwas völlig gegen meinen Willen zu tun, war ich dazu nicht mehr bereit. Ich würde helfen... aber auf meine Art und nur so, das GreenScarp unbeschadet aus der Situation herauskommen würde.
Ich trank einen Schluck, und spuckte die Hälfte davon gleich wieder in die Büsche. Ich mag keinen Jaco. Er mochte wachhalten und anregend sein aber ich konnte seine Bitterkeit nicht ertragen. Der Ekel klärte meinen Kopf weiter... meine Barrieren waren nicht das was sie sein sollten, aber die Bedrohung war einstweilen verschwunden. Fest in der Kiste, in der Kammer... Das freute mich und es war spürbar, wie sich die ganze Lage im Haus zu entspannen begann...
Als wir uns schließlich wieder versammelten hatten ein paar Leute um Melissanda und den Mann aus Ridenow, der, laut eigener Aussage irgendwann mal... vor meiner Geburt oder so, Bewahrer gewesen war, einen Vorstoß in die Oberwelt gemacht.
Ich hatte ihnen dabei zugesehen und es war der erste ruhige und konzentrierte Arbeitskeis, den ich gesehen hatte... nun strömten die Beteiligten zurück in den Raum. Alle wollten wissen was sie herausgefunden hatten. Doch Melissandra war verstört, stockte und wusste sich nicht recht in Worte zu fassen.
Es wurde besser als ich mich zu ihr hockte und sie ein wenig stärkte.
Jetzt war ich dabei.
Melissandra erzählte, das sie zwei Türme und zwei Personen in der Oberwelt gesehen habe, von diesen zwei war eine eine Frau, da bestand für mich kein Zweifel, Yarids Alâyra... das andere war finster, dunkel, männlich... Näher Worte fand Melissandra nicht.
Aber sie erinnerte sich an zwei Matricen und zwei Wege in die Oberwelt du zu beiden Gestalten führten. Damit ließ sich doch etwas anfangen.
Den einen Weg hatten einige heute schon erfahren, es war die Matrix, die immer noch unter Verschluss lag und sobald sicherlich nicht mehr gefordert war.
Die andere war Yarids Harfe.... auch nicht wirklich verwunderlich.
Ich entschied für mich, das der eine Weg gangbar, der andere idiotisch war und das ich sicherlich nicht, um keinen Preis in die Oberwelt gehen würde um gegen einen Gegner zu kämpfen den niemand einschätzen konnte. Das wäre Irrsinn.
Doch nun wurde überlegt was zu tun war... und ich erinnerte mich an die Zeit im Turm. Dort hatten wir Erze gefördert... also die anderen, ich hatte dabei nur überwachen dürfen, weil ich für die verlangten Techniken einfach keinen Sachverstand hatte... es hatte auch andere Geräte gegeben. Fallenmatricen, Glaskörper für die Herstellung von Haftfeuer. Ich hatte den Turm verlassen als gerade ein solcher Auftrag hereinkam...
Ich schlug ein Gefäß vor, irgendetwas in das man hinein, aber wo man verhindern konnte, es wieder herauszulassen.
Einige fanden die Idee dumm, andere dachten länger darüber nach... und irgendwann formte sich aus den Ideen ein Plan der gangbar war und letztendlich das kleinstmögliche Restrisiko enthielt.
Yarids Harfe war der Weg... die Laute, die damals schon gegen die Dunkelchieri eingesetzt worden war, die Falle. Wenn Musik sie aktivierte, dann würde ein durchschneiden der Saiten sie verstummen lassen und zur Falle machen. Was wir noch brauchten war ein Lockmittel um die böse Geistgestalt dazu zu verführen dem von uns geöffneten Weg auch zu nehmen.
Corran kam nicht in Frage. Ich weigerte mich einfach, er war immer noch angeschlagen und nur halb auf den Beinen. Nein, Corran würde es nicht sein.
Dom Ramon war die andere Wahl, er konnte auch die Laute spielen... aber er wäre viel besser, wenn er ungebunden war und gegebenenfalls mit seinem Laran den Bann der Gitarre noch ein wenig länger halten konnte.
Die nächste Wahl fiel auf Dom Oktavien, doch der Hastur war nur durch seine Frau vertreten und sie wollte und konnte jetzt nicht entscheiden. Er sollte gefragt werden, derweil Yarid uns allen ein Abendessen anbot. Es würde nicht schaden sich zu Stärken.
Henkersmahlzeit? Vielleicht...
Wir hatten auch die Risiken nicht außer acht gelassen, die nicht durch einen besonderen Schutz zu verhindern waren. Für das eine würde der Lautenspieler herhalten müssen, das andere aber würde Yarid tragen... ganz allein?
Nein, ich würde ihn nicht allein lassen. Er fürchtete sich, aber er sah es auch klar genug. Die Chance Alâyra bei dieser Aktion wieder zurück zu bekommen bestand und ich wusste er sehnte sich nach ihr... doch was wenn der andere Geist nicht aus der Harfe weichen und ihn besetzen würde?
Wir sahen uns an...
Und Yarid bat mich um einen Dienst, um den ich ihn in diesem Moment wohl auch gebeten hätte. Sollte er besessen werden so würde ich ihn töten. Schnell, kurz und schmerzlos. Es war besser als seinen eigenen Geist und seinen Körper willenlos die schlimmsten Dinge tun zu sehen.
Unter all den Menschen war es ein sehr intimer und auch sehr einsamer Moment, aber wir verstanden uns auch ohne große Worte.
Es würde mir sicherlich nicht leicht fallen, aber ich würde es tun.
Solche Dienste verlangte man nur von einem Freund... Ich nahm ihn fest in den Arm, drückte ihn am mich.
Wir konnten nur darauf hoffen, dass es nicht nötig sein würde. Bis zum Abendessen blieb ich bei ihm. Corran ging es besser, er war wieder auf den Füßen.
Gnädige Avarra, rufe weder ihn noch Yarid zu dir. Lass sie mir... ich bitte dich...
Ich war voller wirrer Gefühle.
Und dann würde ich gestört. Varzil Storn rief mich zu sich und stellte mich seiner Begleiterin vor. Aleyna, eine Frau die ich zwar schon gesehen hatte, mit der ich bislang aber noch kein Wort gesprochen hatte. Sie stellte mir Fragen... sie betrafen Yarid und den Mann aus der Oberwelt.
Sie hatte sehr genau zugehört, dass konnte ich nicht verleugnen.
Ein Mann im dunklen Mantel, das passte auf ihn.
Ein Mann der alle Macht für sich will. Yarid sperrte schon den ganzen Tag alle Larandinge wieder zurück in seine Kammer...
Ein Mann ausgemergelt... Yarid war nicht mehr so krank wie einst, aber ja, auch nicht mehr so hübsch wie damals, als er noch Barde auf GreenScarp gewesen war.
Egal was sie sagte ich konnte nur nicken... und Yarids Bitte versetzten mir einen Stoß in den Magen. Er war nicht weit von uns entfernt.
Ich schickte Aleyna zu Melissandra um mit ihr noch einmal das durchzugehen was sie mir gesagt hatte... sollte es sich bestätigen, sollten sie wieder zu mir kommen.
Gerade noch hatte ich mich sicher gefühlt... würde ich jetzt verhindern müssen, das Yarid überhaupt den Kreis betrat. War es ein Teil seiner selbst, den Melissandra in der Oberwelt getroffen hatte?
Ich beschwor mich ruhig zu bleiben, bis ich eine Bestätigung dieses Verdachtes hatte. Wenn sie kam, würde ich handeln. Yarid hatte es mir bereits erlaubt... Ich stand nahe bei ihm und wartete.... und fühlte mich schrecklich. Manchmal ist Verantwortung nicht leicht zu schultern.
Ich beobachtete ihn ganz genau, während ich wartete das Varzil oder Melissandra herkam und mir etwas genaueres sagte... Ich konnte nichts an ihm spüren das unnatürlich war. Yarid schien mir ganz er selbst zu sein. Der von schweren Schicksalsschläge gebeutelte Mann, der sich nach Familie und Anerkennung sehnte, der darunter litt, dass sein Band zu Alâyna, seiner Herrin gebrochen war...
Yarid und ich sind uns in vielem sehr, sehr ähnlich. Nur habe ich in meinem Lebenslauf ab und an das Quentchen mehr Glück gehabt, dass ihm versagt blieb. Ich sage absichtlich Glück, denn mehr war es nicht... ich bin lange vor mich hingestolpert und was Yarid geschehen ist, hätte mir ebenso geschehen können. Nur gab es für mich immer jemanden, der mich beschützte. Manchmal nur aus der Ferne, ohne das ich es wusste, aber da war immer jemand...
Yarid brauchte auch jemanden der ihn schützte, doch den hatte er nie gehabt. Er war, bis auf seine Alâyra... die ihm wohl jetzt noch immer das Leben rettete, immer alleine gewesen...
Das zerstört über die Zeit hinweg eine Seele... mochte sie auch noch so gut sein.
Hier stand ich jetzt, dies ging mir alles durch den Kopf, während ich mit Yarid sprach und so tat als wäre nichts. Ich wollte sein Beschützer sein, nicht sein Mörder...
Melissandra, Varzil und Aleyna kam aus der Tür, unsere Blicke trafen uns. Ich hatte einen dicken Kloß ihm Hals als ich zu ihnen trat... und mir fiel ein Stein vom Herzen, als sie gleichzeitig die Köpfe schüttelten. Yarid war es nicht? Ich konnte mein Glück kaum fassen...
Natürlich blieb ein Scheffel Misstrauen zurück, aber das würde nicht genügen mein Vertrauen in Yarids Charakter zu brechen. Was immer hier vor unserer Ankunft geschehen war, er war kein schlechter Mensch und auch die geistige Zerrüttung von einst hatte er abgeschüttelt. Er war nicht gesund... so wenig wie ich mich je wieder gesund und ganz fühlen würde, würde Corran wirklich von mir gehen. Ein Herz, das sich einmal endgültig gebunden hat, heilt nicht... es vernarbt nur... und bei Yarid war dies nicht möglich. Denn Alâyra war nie wirklich tot, nie wirklich lebendig...
Ich stellte es mir vor, als ein Herz, dessen Wunden immer wieder aufrissen und bluteten.
Es wurde zum Abendessen gerufen... und es war köstlich. Aus Amelie war eine sehr gute Köchin geworden... was ich Anilda aber verheimlichen werde.
Doch, es war trotzdem eine sehr stille Mahlzeit. Erwartungsvoll, furchtsam. Yarid hatte sich mit an unseren Tisch gesetzt, er wollte jetzt nicht allein sein und war es auch nicht. Meine Gedanken kreisten die ganze Zeit um das, was noch vor uns lag...
Die Mahlzeit wurde beendet und ich ging in unsere Kammer und holte meinen Dolch...
Er war scharf, sehr scharf und ich sah die Klinge während ich sie prüfte, so funkelnd wie sie war durch Yarids Kehle fahren...
Vielleicht sollte ich beten und um Gnade und Erbarmen bitten? Ich wollte das Yarid lebte.
Ich wollte das er in seiner Adoptivfamilie, jene Chance erhielt, die mir meine eigene gegeben hatte.
Meine Hände bebten, als ich den Dolch in die Scheide zurückschob.
Ich sammelte mich, bis die Hände ruhiger wurden und ich die Entschlossenheit fand, die nötig war. Ich ahnte, wer auch immer nun von Yarids Plan hören würde... die meisten würden mich dafür verabscheuen. Aber sie hatten nicht erlebt, was wir erlebt hatten.
Ein Mann, egal ob er stark oder ängstlich, beweist seinen Wert durch die Art, wie er in Augenblicken der Not reagiert. Darin, ob er an seinen Werten festhält, oder einbricht, sobald es schwierig wird. Ich war durch Corrans Schule gegangen. Ich wusste was ich zu tun hatte, und das es keinen Weg daran vorbei gibt.
Ich begab mich in den Saal, der erst noch ruhig war. Oktavien Hastur kam herein...
Ich war gespannt, ob seine prinzliche Arroganz bereit sein würde, sich soweit auf uns einzulassen, dass er uns helfen würde...
Kurz nach ihm kamen die übrigen hinzu. Ein sehr gemischter Kreis, aber zumindest in dem Willen etwas gegen dieses Oberweltwesen zu unternehmen, waren sie geeint.
Als Yarid und die Familie Alton hinzukamen, ging die Diskussion los.
Ein einfacher Willensentscheid schien dem Hastur nicht zu genügen, er wollte weitere Zugeständnisse...
Ich glaube nicht, das Caleb oder Rascard sich so verhalten hätten. Es ist eines der ungeschriebenen Gesetzte Asturiens, das der König für sein Volk ebenso da ist, wie dieses für ihn. Caleb sieht sich als
Wächter seines Volkes. Er beschützt sie mit dem Schwert und auch mit seinem Laran... das ist beides eins. Es sind die Privilegien des Adels, aber auch seine Pflichten.
Was aber von Irmelin und Oktavien gesagt wurde, war eine andere Sprache. Sie wollten Ausgleich, sollte es zum Tode Oktaviens kommen...
Bitte was? Fragen schossen mir durch den Kopf, deren Antwort ich zu finden hoffte.
Meine erste Frage war, ob Schutz für Irmelin und die Kinder nicht eigentlich Valdrins Aufgabe war.
Ich denke doch, das sich zu allererst die eigene Familie darum kümmern sollte. Zudem hatte Valdrin nur ein einziges Kind... es sollte doch selbstverständlich sein, das die, die in seiner Erbfolge als nächstes kamen, auch unter seinem Schutz standen.
Als einen neidischen Mann hatte ich den König in Thendara eigentlich nicht kennengelernt....
Zweite Frage, was bedeutete Ausgleich oder Wiedergutmachung.
Irmelin verlangte Freundschaft, nach dem Yarid ihr schon recht erbost erwidert hatte, dass er keine Zahlungen leisten werde.
Freundschaft? Ich entschuldige mich für meine Naivität, aber ich glaube Freundschaft kann man sich weder kaufen noch erhandeln. Die muss man sich verdienen... zum Beispiel in dem man uneigennützig handelt. Dom Oktavien, uneigennützig.... das macht man zum Beispiel damit, in dem man einfach hilft... das manch man nicht, in dem man die Hilfe an Händel knüpft.
Erkaufte Freundschaft ist zumindest nichts, dem ich meine Frau und meine Kinder gerne anvertrauen würde...
Mir gefiel es immer weniger, dem Hastur eine so exponierte Stelle im Kreis angeboten zu haben.
Dom Ramon wäre der bessere Mann gewesen, so dachte ich in diesem Moment, und tue es bis heute. Trotz dem was er mir angetan hat, was er nicht freiwillig tat. Bei Sinnen war er ein ehrlicher und klarer Mann. Niemand der um einen Preis feilschte...
Ich verstehe ja, das Irmelin sich Sorgen machte. Sicherlich, ihr Mann ging ein großes Risiko ein, aber Yarid hatte dies schon viel häufiger getan. Uneigennützig, denn er hatte weder eine Familie zu erwarten können, noch Freundschaft... doch genau die hatte er sich damit errungen.
Letztendlich gingen sie irgendwie diesen Handel ein und Oktavien erklärte sich bereit, den Platz an der gefährlichsten Stelle im Kreis auch einzunehmen. Alastair Castamir stand bereit ihm den Dienst zu erweisen, den ich Yarid geben würde.
Kaum war dies laut ausgesprochen, wurden Aliciane und Rhodri laut und protestierten... Ich widersprach ihnen... und fand in Corran den Halt den ich brauchte. Er verstand sowohl die Notwendigkeit, als auch die Ehre und das Vertrauen das darin zum Ausdruck kam, und das ich nicht von mir weisen könnte.
Es hätte mir Schande gemacht, Yarids Bitte abzulehnen...
Worüber ich nicht sprach war, wie schwer es mir fallen würde... aber GreenScarp konnte so einen Vorteil für sich verbuchen, den ich ebenso wenig verachten konnte.
Ich würde an einer Stelle bei dem Kreis arbeiten, der mir lag und den ich beherrschte. Ich würde nicht gezwungen sein mit Menschen im Kreis zu sein, denen ich nicht vertraute. Ich würde dort sein, wo man auch handeln kann, wenn der Kreis zerbricht, gestört oder angegriffen wird...
Ich war mit weniger Worten einfach genau da, wo ich sein wollte. Keine Störung würde von mir ausgehen, und wenn versagt wurde, wäre es dieses Mal nicht meine Schuld. All das behielt ich vorsorglich für mich...
Die anschließende Diskussion drehte sich mal wieder um die unterschiedlichen Methoden in denen Kreise arbeiten. Es ist wirklich seltsam... in Dalereuth war es allgemein normal, das die Überwacher sich außerhalb des Kreises befanden. Sie waren nicht Teil von ihm. Fianna hatte mich ähnliches gelehrt, was sie selbst in Tramontana und Hali gelehrt und ausgeübt hatte...
Das ich mich nun in den Kreis begeben und alleinig Yarid überwachen sollte gefiel mir nicht, zumal es dadurch auch Aliciane als weitere Überwacherin hineinzog. Aber ich gab nach... ich wollte nicht ewig reden, ich wollte Handeln. Jedes weitere Wort hätte es nur noch mehr erschwert sich zu konzentrieren...
… und es gab genug andere Dinge, die unsere Arbeit gefährdeten.
Unstimmigkeiten, wer den Kreis leiten sollte.
Wilde Telepathie.
Der junge Storn, der seine Begabung in der Empathie gerade erst entdeckt hatte.
Leandra, deren Empathie immer wieder und wieder nicht hinter ihren Barrieren geblieben war. Irmelin äußerte sogar den Verdacht sie wäre eine Wilde...
Wir mussten Irmelin mit in den Kreis nehmen um die Alton-Hastur Unverträglichkeit auszuschließen.
Dutzende Dinge die noch diskutiert wurden.
Aber ich schaltete all diese Befürchtungen für mich aus. Ich würde nicht ein Teil des Kreises sein. Meine Aufgabe war Yarid.
Ich rechnete mit Veränderungen seines Wesens, seiner Persönlichkeit. Ich hatte darauf zu achten das die männliche Seele nicht in Yarids Matrix zufasste, dass er stark genug war dem zu widerstehen... und ich vermutete, das Alâyra genauso gut Hilfe wie auch Gefahr sein konnte.
Also ordnete ich meine Gedanken, schob mein Ich so weit es ging von mir fort... und war bereit, während auch die Unruhe um mich herum sich langsam legte.
Ramon Alton übernahm die Position des Bewahrers und führte die einzelnen Leronyn in den Kreis. Er tat dies sehr umsichtig, was ich von einem Mann, dessen Gabe eigentlich zu denen gehört, die ich eher als rabiat und unangenehmen empfinde, sehr bewundernswert fand. Doch trotz seines vorsichtigen Vorgehens hielt die Gruppe beim ersten Versuch nicht stand.
Erst beim zweiten Mal gelang es alle Energien zusammen zu führen und zu einer einzigen Kraft, gesteuert durch die starken Kräfte des Alton zu schmieden.
Ich spürte immer noch Furcht oder zumindest Respekt unter den Kreisteilnehmern... und es brachte mich ein wenig aus dem Konzept, denn ich konnte sie, in ihrer Mitte, in Yarids Rücken sitzend, nie ganz ausschließen. Das störte mich, aber um etwas daran zu ändern war es zu spät... und ich richtete all meine Gedanken und Kraft so gut es ging auf Yarid. Er begann seine Harfe zu spielen und der Weg in die Oberwelt öffnete sich. Ich sah durch seine Augen, während meine Energie durch seinen Körper floss...
Für gewöhnlich würde ich das nicht tun, aber ich wollte bereit sein, sobald sich etwas aus der Oberwelt regen würde, dagegen zu stämmen... und Yarids Geist und damit seine Harfe, frei zu halten... oder wenn es Alâyra war, ihr den Boden zu bereiten sich wieder mit Yarid zu vereinen.
Es geschah etwas... der Geist näherte sich... er schimpfte und beschwerte sich, doch die Verlockung der lebenden Matrix am Ende unsere Falle schien zu groß, als das er Widerstand geleistet hätte.
Yarid verkrampfte sich etwas, von Alâyra war bis dahin nichts zu spüren gewesen... Ich war bei ihm und löste den Krampf, den Rest übernahm die Stärke des Kreises. Die Präsenz des Geistes wich aus der Harfe und ich musste annehmen das er in die Laute eingedrungen war.
Mein Kopf hob sich. Ich sah zu dem Castamir... dringlich...
Er musste Handeln oder der Hastur wäre verloren.
Er zögerte. Aus Liebe zu seinem geschworenen Bruder? Ich hatte keine Ahnung...
Endlich handelte er und zerschnitt die Saiten der Laute...
Unruhe rauschte durch den Kreis... ich hoffte Leandra und Aliciane waren auf ihren Posten bereit die Kraft noch einen Moment zu halten, bis Ramon sich sicher war, das die Gestalt gebannt war.
Derweil...
Es war ein silbriger Schatten den ich sah, kaum mehr, das huschen einer bezaubernden aber unaufdringlichen Gestalt. Alâyra?
Es war so schnell gegangen, dass ich es fast verpasst hätte... und ich erahnte eher, aus dem Klang der Harfe, das alles in Ordnung war.
Langsam erwachten die Leronyn aus ihrer Trance....
Das erste was ich tat war den Dolch in seine Scheide zurück zu stecken... das zweite, ich erhob mich und nahm die Isolierseide... Die Laute musste eingepackt werden.
Wir waren etwas glückstaumelig und mussten doch noch vorsichtig sein... und beinahe hätte ich mir an Alâyra doch noch mal die Finger verbrannt, als Yarid sich erhob und die Laute rasch in seiner isolierten Kammer verschloss. Dieses Chieri machte es mir seit unserer ersten Begegnung schwer... aber für den Anblick Yarids hätte ich verbrannte Fingerspitzen auch in Kauf genommen.
Er war noch immer etwas verwirrt, aber die Schatten waren aus seinem Gesicht verschwunden.
Wir hatten mehr erreicht, als zu erwarten gewesen war... mehr als zumindest ich erwartet hatte...
Die Erleichterung die ich fühlte, spiegelte sich in allen Gesichtern der Gesellschaft wieder. Es war ein flaumiger Teppich auf dem ich mich wiederfand und es wurde darauf kein wirkliches Fest... aber eine nette Zusammenkunft.
Yarid wurde unter der schon genannten Prämisse, die Ehe mit einer Alton, Herr von High Chapel.
Er wird zudem noch durch die harte Schule Lady Elaines und ihrer Erziehung zu einem Edelmann gehen müssen...
Ich stichelte ihn ähnlich an, wie am Tage zuvor die Damen den jungen Colin. Das Bier und die allgemeine Zufriedenheit, taten ihren Anteil dazu. All das was jetzt vor ihm lag, hatte ich auch erleiden müssen... allerdings weilte ich da schon in Thendara... und hatte nicht die Ruhe es ihn einem Hinterzimmer unter den Augen nur einer Frau zu lernen.
Aber er wird es schon meistern, da bin ich zuversichtlich... und Mitleid habe ich diesbezüglich nicht, es bringt einen nicht um, sich anständig zu benehmen.
Irgendwer, ich hoffe das wird die Domäne Alton übernehmen, sollte sich noch um die Artefakte in Yarids Kammer kümmern... was auch immer Janis dort gebunkert hat, es sollte zumindest in die Hände eines Turmes, noch besser gleich in den Schutz der Rhue Fead gebracht werden... einmal dort kann auch kein Turm damit mehr Unheil verursachen, und ich glaube, selbst wenn diese Dinge Macht bedeuten. Sie ist unberechenbar...
Wir sind wieder sicher auf GreenScarp angekommen.
Corran hat sich körperlich gänzlich erholt und drillt zu seiner geistigen Entspannung die Frischlinge. Jeder hat so seine eigenen Arten mit den Anspannungen umzugehen. Woher er gerade heute die Kraft nimmt weiß ich nicht.
Ich fühle mich auf angenehme Art müde, aber nicht tatkräftig, eher satt und zufrieden.
Aliciane und Fianna sitzen in der Halle und nähen neue Kleider, ich kann nur vermuten, dass Domna Elaine ihnen irgendetwas in den Kopf gesetzt hat. Rakhaila ist bei ihnen...
Wir haben kaum miteinander gesprochen...
(Die Türklinge klappert, Fionn schließt sein Tagebuch und blickt mit einem Lächeln zur Tür... Stella lugt hinein und grinst zurück. Sie hat seine Augen, aber so blondes Haar wie eine vollblütige di Asturien... Fionn erhebt sich und ist kurz darauf sehr beschäftigt den Plaudereien seiner Tochter zu folgen... und Dutzende von Fragen zu beantworten, ohne davon ein Loch im Bauch zu bekommen. Das Mädchen lacht.)
The End
Ein Kater der Auszog um Einzuziehen
Darf ich mich kurz vorstellen: Mein Name ist Garfield, ich bin ein stattlicher Roter Kater der bisher meist durch die Wälder streifte und das Leben genoß.
Die Tage und gerade die Nächte begannen kühler zu werden und so beschloß ich mir
langsam ein Domizil für den Winter zu suchen und kam an einer 2 Beiner Behausung
vorbei, bei der schon der Komposthaufen ein viel versprechendes Quartier anzeigte.
Vorsichtig die Luken inspizier und in die Große Höhle schlüpf. Schon öfter bezog
ich Quartier bei 2 Beinern und wusste wie ich sie am besten herumbekam, extra
sauberes Fell, große Augen machen und stapfen und schnurren was das Zeug hält.
Sollte sich ein 2 Beiner bei meinem Anblick bücken und die Ohren Kraulen hab ich
schon halb gewonnen, am besten war es zuerst ein Weibchen zu finden, die haben
in den Quartieren wohl das sagen. Krault sie mich „gewonnen“ wird sie laut und holt
einen Stock mit Borsten, dann besser nix wie weg. Hier fand ich meiner Nase folgend
ein Weibchen mit hellem Kopffell und von ihr ging so eine angenehme Ruhe aus.
Sie kam auf mich zu, legte den Kopf etwas schräg und schaute mir tief in die Augen,
meine Chance, schnell begann ich mit den Vorderpfoten zu stapfen und schnurrte was
das Zwerchfell hergab und schon kam langsam ihre schmale Pfote auf meinen Kopf zu.
Hach kann die gut kraulen, die Pfote etwas mit den Kopf anstupsen und um die Beine
streifen, das mögen manche 2 Beiner und man kann abchecken ob sie nicht doch noch
versuchen einen weg zu kicken, aber nichts dergleichen geschah, nein besser noch, sie
machte ein Zeichen, von dem ich wusste, dass es „bleib hier sitzen“ bedeutet und ging
zu der Höhle aus der herrlicher Duft strömte und kam mit einer Pfütze Milch zurück.
Jeah! jetzt laut maunzen und hüpfen bis die Pfütze vor meiner Nase ist und schlabbern
als wär ich halb verhungert. Freu…ich hab wohl ein zu Hause.
Nachdem ich die Pfütze blitzblank von Boden leckte (wichtig…nie was überlassen, sonnst
werden die Pfützen kleiner) stromerte ich etwas in dem Raum umher und sah noch ein paar
andere Weibchen sehr beschäftigt durch die Luke der Duft-Höhle des Quartiers, selbst blieb
ich erst mal in der Höhle mit den Holzhimmeln von denen manchmal Leckerlies fallen und rollte
mich unter so einem Holzhimmel zusammen.
Längst hatte ich gelernt niemals direkt in die Duft-Höhlen zu spazieren, da griff schon das netteste Weibchen zum Borstenstock.
Eine Weile döste ich glücklich vor mich hin, als ich plötzlich lautes stapfen und rumpeln hörte, 2 Beiner Männchen, jetzt hieß es aufpassen. Die haben harte Hinterpfoten und treten oftmals nur zu gerne nach einem. Sie rückten an den kleineren Holzhimmeln und setzten sich darauf, jetzt heißt es abwarten ob aus der Dufthöhle Futter für die Männchen gebracht wird. Jaaaa…ich rieche Speck, jetzt kurz warten bis sie zu fressen anfangen und dann vorsichtig unter dem Himmel hervorkriech und in Sicherheitsabstand gut sichtbar posieren.
Kopf hoch, Schwanz hoch, wedeln, Blick auf den Speck richten und ein lautes „brrMAUNZ“
Kurze stille, dann Laute welche ich als positive Laute kenne und schwups, schon fiel ein Stückchen Speck von dem Himmel in meine Richtung. Spring, fang, fress und noch eins von dem anderen 2 Beiner, juchuuu die hab ich also auch.
Jetzt wird es Zeit den Rest der großen Höhle zu inspizieren, immer an der Wand lang und möglichst in Deckung bleiben, ah ein breiter eckiger Holzstamm der nach oben führt.
Die große Höhle des Quartiers mit vielen Holzhimmeln…schön…oh in der Ecke weiche Felsen, den kleineren davon mal ausprobier, hüpf, kratz kratz, dreh…kringel…fein.
Schritte!...unter den Felsen kriech…ein 2 Beiner…der läuft unruhig hin und her… kommt näher und setz sich auf den größeren weichen Fels. Von diesem 2 Beiner empfange ich ein seltsames Gefühlsgewirr aus Unruhe, Freude aber auch ein quäntchen Trauer, der verwirrt mich und da bleib ich lieber in Deckung. Dann dösen wir halt mal wieder.
Lange habe ich geschlafen und die letzten 2 Tage habe ich diese wirklich große
2 Beiner Höhle innen wie außen wo es noch Tierhöhlen mit Mäusen gab ausgiebig inspiziert.
Dem hellen Weibchen aus der Duft-Höhle Morgens in der Nähe des Komposthaufen
eine danke Maus drapiert und anschließend vor der Duft-Höhle postiert. Dort lag in der Ecke regelmäßig eine Milchpfütze und ich bekam Leckerlies von den 2 Bein Weibchen und kraulen konnten die alle sehr gut, aber das helle Weibchen war meine Favoritin.
Seit 2 Tagen weile ich nun schon hier und alle 2 Beiner waren nett zu mir, nur den mit
dem Gefühlschaos blieb ich lieber fern, nicht weil ich Gefahr ahnte, aber er war anders
als die anderen hier und auch wenn er so einsam schien merkte ich, dass er hier der Chef 2 Beiner war.
Heute war etwas anders, die 2 Beiner rannten hin und her, rauf und runter und die Duft-Höhle verströmte Gerüche die einem dauerhaft das Wasser in die Backen trieb und plötzlich kamen immer mehr 2 Beiner. Der Chef 2 Beiner war aufgeregt, ein hauch Ängstlichkeit aber auch viel Freude umgab ihn jetzt.
Die große Halle oben füllte sich immer mehr, viele Männchen aber noch mehr Weibchen fanden sich ein und es schien sehr harmonisch. Vorsichtig an der Wand
lang zu den Weibchen, welche es sich auf den weichen Felsen gemütlich machten schleich, leicht in die Ecke quetsch und mal laut schnurr, immer den Ausweg unter den Felsen in der Nähe im Augwinkel.
schnurr, schNURR, SCHNURR…Pfote…vorsicht…kraul..noch ne Pfote auch kraul…hüpf …ui..noch mehr Pfoten…Schnurr, stapf, schnurr…hier bleib ich ne Weile.
Die Weibchen plapperten angeregt und ein junges Mänchen hatten sie auch in beschlag
genommen, dieser war aber sichtlich irritiert und wirkte teils verstört und strahlte die
Emotion „Ich will hier fliehen“ aus was er auch kurz darauf tat.
Es war überhaupt ein illusterer Haufen und es waren auch die unterschiedlichsten Emotionen im Raum. Hie und da Schüchternheit, dort dann die Ausstrahlung eines Alpha-Weibchens.
An einem Tisch waren sehr angenehme Stimmungen, ein großes stämmiges Männchen dem man das Alpha-Tier sofort abnahm, aber sein Rudel aus 2 Männchen und wohl seinem Weibchen entnahm man nur Verbundenheit und Liebe.
Dann kam Unruhe im Raum auf als 2 Männchen und ein Weibchen die große Höhle betraten.
Eine Welle von Erstaunen und Unterwürfigkeit schwappte durch den Raum, wird wohl ein oder gar der Rudelführer sein. Das blaue Männchen strotzte nur so vor Arroganz und das rote Weibchen an seiner Seite war sich ihrer auch sehr sicher. hach… die haben lange Federn an ihrem Kopf stecken…ach da juckts mich in den Pfoten, wenn ich die so wippen sehe… langsam schlich ich in Ihre Richtung, aber halt…von dem zweiten Männchen in schwarz geht was ganz seltsames aus…meine Nackenhaare sträuben sich…das Männchen ist nicht gut…
Planänderung und ab unter den Holzhimmel bei dem großen Alpha-Männchen, dessen Blick mir zeigte, dass auch er die neu Ankömmlinge nicht koscher findet.
Alle 2 Beiner standen plötzlich da und blickten auf die Neuen, welche Optisch hier so gar nicht ins Gesamtbild passten und erst als der Blaue in einem seltsamen Tonbild was sagte, beruhigte sich die Menge und setzte sich wieder. Die großteils vorherrschende Harmonie von eben noch hat sehr gelitten und die Stimmen wurden leiser und verloren etwas von der Fröhlichkeit zuvor, ausgenommen die Weibchenrunde, welche ihre Augen fest auf das rote Weibchen hefteten gerieten fast in Euphorie. Die rote ist dann wohl auch so eine Art Alpha-Weibchen wie es schien.
Ach, wenn ich grad in der Nähe von dem eckigen Holzstamm nach unten steh, folge ich mal dem Geklapper aus der Duft-Höhle, vielleicht fällt ja was von einem Himmel…stapf...schleich.
Bei meiner Pfütze fand ich feinste Knochen mit noch etwas Fleisch dran…leeeecker…
die Duft-Höhlen Bewohner huschten flink hin und her aber alle wussten wohl sehr gut sich einander geschickt auszuweichen und ich blieb lieber ruhig in meiner Ecke und
beschränkte mich auf wohlgenährtes lieb gucken. …Laaangweilig…doch wieder hoch.
Es haben sich wieder Grüppchen gebildet und ich gesellte mich zu einem Blonden Männchen und einem großen schlanken Weibchen, dem es lauschte. Das Männchen
hörte aufmerksam zu und das Weibschen sprach mit einer etwas geknickten Nuance in der Stimme so als wenn es etwas bedrückt wäre aber auch etwas vorwurfsvolles hatte und um Zustimmung des Männchens bettelte.
Der Höhlen-Chef hielt noch eine kurze Ansprache, bei der alle kurz ruhig wurden um
kurz darauf wieder munter weiter zu plappern.
Seltsam, seit das schwarze Männchen mit dem 3 Eckigen Kopfdeckel auftauchte wurde
es mir immer wieder schummrig und komisch im Kopf.
Langsam schlich ich wieder zu dem Holzstamm nach unten und da stand auch das große Alpha-Männchen…komisch…irgendwie ist der grad anders…er ging und ich folgte ihm…oh…gut… er geht zu der kleinen Höhle in der ich gestern ein Mäuschen kratzen hörte…was war das…kaum das ich mit Ihm durch die Öffnung huschte passierte etwas was ich so noch nie gefühlt hatte. Es fühlte sich an als wäre gerade ein
Blitz neben mir eingeschlagen…eine Welle von Panik und Schmerz traf mich und wirklich jedes Haar meines Fells stellte sich auf…hilfe!…Angst…Wut…Panik füllten den Raum und das große Männchen krampfte und viel urplötzlich wie ein Baum der länge nach hin…ein kurzes zucken…stille.
Doof guck…nichts mehr….als wäre der Raum plötzlich eisig und gefühlskalt.
Das Männchen lag regungslos da…schnüffel…oh… ich rieche Blut…ranschleich…
es hat sich die Lippen aufgebissen und ich sah das Blut aus dem Mundwinkel rinnen,
ob ich mal dran lecken soll? justament stürmte sein Weibchen in die Höhle, Ensetzen
und Sorge trafen mich und noch mehr 2 Beiner kamen rein und ich kroch schnell aus
meinem Versteck und floh vor diesem Ort in dem irgendwas ganz seltsames vor sich gegangen war. Merken…Mäuschen egal… diese Höhle in Zukunft meiden!
In der ganzen Haupthöhle schwang plöztlich ein Mischmasch aus Angst, Trauer und Verwirrung und alle wirkten aufgescheucht, außer das Blaue Männchen mit seinem Anhang schien verhältnismäßig Unbeteiligt.
Da war es wider…dieses aufkeimende Blitzgefühl..ich lugte unter einem Holzhimmel
hervor und sah den Höhlen-Chef und dachte mir nur…nein…nix wie weg, der hat die gleiche
Aura wie der Große bevor er fiel! und er fiel auch…husch und wech…
Die 2 Beiner waren nun noch aufgescheuchter, somit war es besser mich etwas nach
draußen zu trollen und ein Belohnungs-Mäuschen für meine Duft-Höhlen Fee fangen.
Der Abend war schon fortgeschritten und es wurde wieder ruhiger, die 2 Beiner haben
sich in kleinen Gruppen zusammengehäufelt, Geflüster hier, lautes reden dort, die
weiche Felsecke war verwaist und ich wollte mir ein Nickerchen gönnen.
Mit einem wachsamen Auge döste ich nun etwas, da kam ein 2 Beiner langsam auf
mich zu, ich fühlte mich gekrault obwohl er noch gar nicht nah genug war…seltsam.
Es sollte noch seltsamer werden, er setzte sich vorsichtig zu mir und schaute mir tief
in die Augen, ein schmunzeln umspielte seine Lippen und ich hörte wie er mich nach
meinem Befinden fragte.
MOOOMENT! Ich HÖRTE was er sagte ohne dass sich sein Maul bewegte und vor allem ich
VERSTAND was er sagte, jetzt aber! Andererseits war es so angenehm…
ich wollte nicht fliehen, ich wollte mich in diesem angenehmen Gefühl wälzen, welches
von Ihm ausging. Langsam schob er mir eines meiner Lieblingsleckerlies hin und in
meinem Kopf hörte ich ihn sagen, er habe extra gefragt was ich am liebsten mag.
Was für ein 2 Beiner, kann ich den behalten?
Er schaute mir wieder fest in die Augen und dann hörte ich ihn wieder
„sag mal, darf ich dich etwas fragen?“
Hm…warum nicht, dachte ich und schwups schon wieder seine Stimme in meinem
Kopf, so als hätte er meinen Gedanken gehört…huch
„Ich habe gehört, dass Du in der Kammer warst als Dom Corran umfiel, was kannst
Du mir erzählen was Du dort gesehen hast, war noch jemand in der Kammer?“
Kammer..ah Du meinst wohl die Höhle wo der große 2 Beiner umfiel…da war es nicht
schön…ich wollte doch nur nach dem Mäuschen sehen, aber kaum war ich in der
Kaameer da stellte es mir jedes noch so kleine Härchen auf und es brizzelte mich
überall und ich fühlte schreckliche Angst und Panik und der Große 2 Beiner viel um
wie ein Baum, aber es war sonnst niemand da und ich verkroch mich in einer dunklen
Ecke in der Hoffnung bald hier raus zu kommen, was mir auch gelang als das Weibchen
des 2 Beiners kam“
Der 2 Beiner hörte mir aufmerksam zu und ich hörte wie er bedächtig einige meiner
Worte wiederholte, so als ob sie wichtig wären und legte mir noch ein paar Leckerlies
hin und verabschiedete sich mit leisen und dankenden Worten für dieses „Gespräch“
und ließ mich etwas verdattert zurück. Hap…happ…lecker…ich bin müde aber so richtig müüüüde….
Ich muss laaaange geschlafen haben, ich wurde wach durch lautes Reden am anderen Ende der Höhle aber verstand kein Wort von den 2 Beinern, ich hatte einen seltsamen
Traum, ich hätte mit einem 2 Beiner geredet ohne das wir beide das Maul aufmachten
sondern uns nur im Kopf hörten und dabei ansahen…seltsam…hm…hier riechts nach
meinen Lieblingsleckerlies, genau da wo er sie mir im Traum hinlegte…jetzt schauderte
es mich etwas und ich beschloß zur Futter-Höhle zu gehen und mich nicht mehr von dort weg zu bewegen, denn dort ist bisher noch nichts seltsames geschehen.
Auf dem Weg dorthin erblickte ich den Großen 2 Beiner der mit seinem Weibchen und
Begleitern sprach, wie kann das sein, ich weiß wie der Tod riecht..jetzt aber hurtig hier weg.
Der Tag schritt voran und ich blieb in meiner Pfützenecke und schenkte dem regen Treiben keine große Beachtung mehr, ich halt mich aus allem raus und will auch nichts seltsames mehr erleben. Insgeheim hoffte ich dass diese 2 Beiner, welche bei meiner Ankunft noch nicht da waren wieder weiterziehen,
denn es war so schön ruhig hier.
Es dauerte dann auch nicht mehr all zu lange, nach ein paar Tagen waren fast alle fort
und die wenigen die noch geblieben waren fielen nicht weiter auf, außer den zusätzlichen Pfoten die mich kraulten.
Der Hölen-Chef hatte sich verändert, er strahlte über das ganze Gesicht und ich empfand in seiner Nähe keine Spur der Trauer mehr und schaute mich nicht mehr mit Überraschung an sondern kraulte mich auch ab und an.
Tja, wer kann einem stolzen Roten Kater schon wiederstehen, somit betrachtete ich mich von diesen 2 Beinern adoptiert, bis mich im Frühjahr die Wildnis und die Mädels rufen, vielleicht kehre ich im Herbst wieder hierher zurück..wer weiß…
Perspektivenwandel
Juliannas Geschichte
Eine Luftwagenfahrt. Hali stellte uns für die Reise tatsächlich einen Luftwagen zur Verfügung. Es war ja so schon eine tolle Sache mit Mel und Áine unterwegs zu sein, aber bei dieser Reisemöglichkeit wurde mir schon flau im Magen vor Aufregung.
Ich hatte den Turm seit einiger Zeit nicht mehr verlassen und freute mich nun sehr darauf, mit meinen beiden Freundinnin nach High Chapel zu reisen und meinen Cousin Yarid endlich kennen zu lernen. Eine hoffentlich vernügsame Abwechslung der täglichen Laran-Arbeit.
Als Anwärterin auf einen höheren Posten übernahm ich mittlerweile alle möglichen Tätigkeiten, aber bis zum endgültigen Ende meiner Ausbildung wollte ich auch so viel lernen wie nur möglich. Zwar hatte ich auch andere Dinge im Kopf, aber mit 17 sollte man wissen wo die Prioritäten im Leben liegen. Und auf Wunsch meiner Familie lagen sie zur Zeit nicht bei Mann und Kind. Und nach diesem Ausflug werden sie da so schnell wohl auch nicht hin wechseln.
Wir kamen am Abend an, für Áine war das Ganze nicht leicht. Sie ist auf High Chapel aufgewachsen und hat dort lange unter dem Einfluss der beiden dunklen Chierie gelebt. Ich kann immer noch kaum glauben, dass es sie geben soll und begegnen möchte ich Ihnen niemals. Jetzt erst Recht nicht mehr.
Der Coridom, der uns begrüßte, war ein ruhiger, junger Mann der uns hinauf zu Yarid begleitete. Einige Leute waren schon dort und mir fiel ein junger Mann mit sehr lockigem Haar auf. Kannte ich ihn nicht irgendwo her? Und Tante Elaine. Wir hatten uns lange nicht gesehen und ich befürchtete schon, dass meine Umgangsformen im Turm etwas Schaden genommen hatten.
Nach kurzer Zeit kam der krausköpfige Mann auf mich zu: „Julianna?“. Es ist doch tatsächlich Colin Storn. Ohne ihn wäre ich im ersten Jahr meine Ausbildung wohl Nachts vor den Relais eingeschlafen. Wir haben uns stundenlang unterhalten und hier war ich nun froh ein bekanntes, jüngeres Gesicht zu sehen. Ich hätte Gavin und/oder Edric Storn an seiner Stelle erwartet, aber die Jagdgesellschaft war wohl nicht wichtig genug. Dennoch war ein Mann anwesend, der eine große Ähnlichkeit mit Edric Storn hatte. Wie ich später herausfand, handelte es sich hierbei um Dom Raimon Alton y Syrtis, den Bruder Lord Altons. Gut für Áine, denn so konnte sie gleich herausfinden auf welcher rechtlichen Grundlage Yarid dieses Gut als sein Eigentum benennt. Denn Yannis Alton hatte nur ein leibliches Kind – Áine. Leider ist sie nur nedestro, dennoch sollte das wohl mehr wert sein als eine Adoption?
Und dann begann ich meinen größten gesellschaftlichen Fauxpax – ich legte meine Gugel ab. Im Raum war es ausgesprochen warm und ich hatte nicht bedacht, dass ich vor dem Empfang eigentlich noch die Bluse wechseln wollte. So bekam Elaine meine Reisebluse zu sehen, inklusive meines Nackens und eines Teils meiner Schultern. Peinlich, peinlich da sie natürlich darauf hinweisen musste und dabei doch etwas aufgebracht war. Merde. Ab sofort achtete ich peinlich genau darauf, immer passend gekleidet zu sein. Nicht das Elaine meiner Mutter noch eine unvollständige Erziehung vorwirft…
Der Abend plätscherte so vor sich hin und ich überlegte gerade, mich zu Bett zu begeben – kurz: Ich langweilte mich fürchterlich. Also ging ich an die frische Luft um den Himmel zu betrachten – und lief Dom Raimon, Dom Oktavien und Dom Mikhail in die Arme. Da eine Frau sich nicht allein im dunklen aufhalten sollte (wenn es hochrangige Adlige mitbekommen), bat ich um die Erlaubnis mich dazu zu gesellen.
Dom Raimon und Dom Oktavien führten ein Gespräch, bei dem meine Anwesenheit sicherlich nicht von Nöten gewesen wäre. Und dabei stellte sich mir die Frage, was ein Hastur von Hastur auf einem kleinen Landgut in den Kilghards verloren hatte. Er benahm sich ganz nach höfischer Etikette, geradezu affektiert. Da waren mir Dom Raimons klare, ruhige Art und Dom Mikhails normale Worte doch wesentlich angenehmer. Und während ich da so dastand, lächelte und versuchte „normal“ zu wirken (als wenn ich alltäglich in einer solch illusteren Runde stehen würde) sprach mich Dom Oktavien an. Innerlich suchte ich nach dem Loch, dass sich im Erdboden auftun würde.
Leider gab mein Laran das nicht her und so sah ich mich gezwungen zu antworten. „Und nun erzählt doch einmal, Damisela.“ Ja, was sollte ich denn erzählen? Ich stellte mich erst einmal vor (vermutlich wieder ein Fauxpax) und versuchte mich in Smalltalk.
Zu diesem Zeitpunkt – als mein großer Retter, betrat Fionn das Außengelände und setzte sich ein Stück entfernt von uns hin. Ich entschuldigte mich mit den Worten, Fionn begrüßen zu wollen und setzte mich neben ihn. Gott seid Dank wollte auch er nicht viel reden und so saßen wir einfach zusammen und schwiegen. Und ich habe selten einen Menschen getroffen, mit dem es angenehmer war zu schweigen.
Dann passierte es – durch Fionn schien ein Ruck zu gehen, er atmete tief ein und stürmte davon. Er murmelte etwas, dass ich nicht verstehen konnte und erst als ich wieder im großen Saall angekommen war, begann sein Verhalten Sinn zu machen. Corran die Asturien war tot! Im Haus von Yarid Ruyven.
Nachdem ich zahlreiche Gerüchte über Corran und Yarid gehört hatte, wollte ich sofort abreisen. Das war ein Politikum in das ich nicht hinein gezogen werden wollte. Doch bevor ich richtig realisiert hatte was geschehen war, lag Yarid tot am Boden. Dann blieb meine Welt scheinbar stehen, denn plötzlich stand Yarid an dem Platz, an welchem er seine Begrüßungsrede gehalten hatte. Auch Corran saß wieder an seinem Platz. Das war der Moment, in dem ich mich fragte ob nicht alles nur ein Albtraum war…
Nach einigem Geschrei wurde den beiden wohl klar, dass etwas so gar nicht in Ordnung war. Ich war jedenfalls über alle Maßen geschockt. So etwas gab es doch nicht.
Während alle anderen versuchten Yarid und Corran klar zu machen, was soeben geschehen war, ging ich an die frische Luft. Nach kurzer Zeit stieß Yarid zu mir und war doch etwas irritiert, dass ihn eine Fremde beim Vornamen ansprach und sich nach seinem Befinden erkundigte. Mir wurde klar, dass ich ihn erneut über unsere Verwandtschaft aufklären musste. Lästig, lästig. Vielleicht hatten die anderen Recht und das Haus war tatsächlich verflucht. Wir sollten hier zeitnah abreisen, ich hatte keine Lust hier umzukommen.
Nachdem mir draußen langsam zu kalt wurde, beschlossen Áine und ich und mal in der Küche umzuhören ob so etwas schon häufiger vorgekommen ist. Kann doch nicht sein, dass ein Spuk in diesem Haus niemandem aufgefallen ist. Wir unterhielten uns mit der Köchin, Amelie. Sie trug ein außergewöhnliches Schmuckstück um den Hals und wenn ich das richtig sehen konnte war der Anhänger aus reinstem Kupfer. Eine Köchin mit einem kupfernen Anhänger!? Ich fragte vorsichtig danach, doch sie lächelte nur geheimnisvoll und wich meinen Fragen aus.
Kurze Zeit später grübelte ich bei einer Zigarette so vor mich hin und entschloss mich, der Sache auf den Grund gehen zu wollen. Wieder in der Küche, traf ich Dom Raimon bei Amelie und gemeinsam fanden wir heraus, dass eine Matrix in dem kupfernen Anhänger versteckt war. Und das Amelies Kind das Ergebnis einer Nacht unter vier Monden war…
Mein Gefühl sagte mir, dass an dieser Frau mehr dran war als es schien und ich fragte, ob ich sie auf Laran überprüfen durfte.
Amelie war geschockt, dass ich in Erwägung zog sie könne „zaubern“. Ich war mir ja selbst nicht ganz sicher, ob ich nicht meine Befugnisse überschritt, deshalb ging ich ganz langsam vor um abzuwarten ob mir Dom Raimon einen Wink gab, dass ich zu weit ging. Er tat es nicht und deshalb waren wir kurze Zeit später in meinem Schlafgemach.
Wenn Elaine mitbekommt, dass ich mich von einem Mann überwachen ließ, würde ich mir noch eine Standpauke anhören müssen. Ich bat Dom Raimon um Verschwiegenheit, doch er lächelte nur und antwortete, dass er schon mit seiner Schwester umzugehen wisse. Ich hätte mir vor den Kopf schlagen können. Die Verwandtschaft hatte ich doch gerade glatt vergessen… Scheinbar war dies der Ausflug der gesellschaftlichen Peinlichkeiten.
Nun ja, nach einer etwas langwierigen Sitzung stellte sich heraus, dass Amelie tatsächlich Laran besaß. Und das der Vater des Kindes ein Chieri war. Das erklärte einiges, ein Chieri würde sich vermutlich niemals mit einer völlig kopfblinden Person einlassen.
Amelie war – gelinde gesagt – schockiert. Es war gut versteckt gewesen, aber langsam und behutsam hatte ich die Gabe wecken können. Es schien, als ob sie eine weniger gute Telepathin wäre, aber es war wohl genügend Empathie vorhanden um sich erstmal unwohl zu fühlen.
Melisandra nahm sich ihrer an, in solchen Dingen ist sie einfach bewundernswert und ich muss immer noch einiges lernen.
Nach der Sitzung war ich derart erschöpft, dass ich zu Bett ging und trotz der komischen Vorfälle einfach wunderbar schlafen konnte.
Und täglich grüßt das Rabbithorn…
Corrans Erinnerungen an den Plot.
Die Einladung zur Jagd war am Morgen eingetroffen. Es waren nur wenig Worte nötig um den Inhalt zusammen zu fassen: Yarid Ruyven lud zu einer Jagd auf High Chapel.
Da die letzten Tage regnerisch und eintönig waren, war die Hoffnung innerhalb meines Haushaltes groß, dass ich die Einladung annehme und allen eine Abwechslung verschaffe. Ich sah es deutlich an ihren Gesichtern: Aliciane betrachtete mich mit gespannter Erwartung. Das gleiche las ich auch aus Fionns Zügen. Er war noch immer ein Freund von Yarid, er vertraute ihm. Ich verstand den Grund nicht, aber ich akzeptierte es wie immer ohne Vorbehalt, aber mit einem Zwicken in den Eingeweiden. Warum… warum konnte ich nicht gleich nein sagen?
Ich hatte allen Grund dazu. Zu schlecht waren die Erinnerungen. Dieser Mann hatte mich in diese unselige Allianz mit Hastur von Carcosa hineingetrieben. Aufgrund seiner Machenschaften waren mein Land und mein König in einen Krieg geraten, den wir mit Sicherheit nicht hätten führen müssen, wäre er nicht gewesen. Ich nahm es ihm übel. Sehr, sehr übel. Ich würde ihm nie wieder ohne Zweifel und Ärger begegnen. Die Wunden saßen tief und ich war kein Mann, der leicht vergibt. Mein Vertrauen muss man sich verdienen, ich verschenke es nicht.
Doch zuerst musste ich mir erst einmal klar werden, ob ich reagieren würde und vor allem wie. GreenScarp wurde auch mir eng, jetzt noch mehr als zuvor schon. Es schien mir, als würden sie mich alle voller Spannung und Zuversicht ansehen, in der Hoffnung, dass ich gleich eine Entscheidung präsentieren würde. Ich musste raus hier. Rhodri kam gerade rech und ich murmelte ein paar Befehle. Er reagierte wie immer, stellte keine Fragen und tat nur was ich verlangte. Später wird er sich vor Fionn, Fianna und meiner Frau verantworten müssen, aber das stört ihn nicht. Am Ende bin ich es doch, der dafür den Rücken gerade halten musste. Doch ich wollte erst einmal fort und die Zeit nutzen, um nachzudenken.
Wenn ich der Einladung folgte, musste ich auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Yarid hatte bisher immer nur Ärger gemacht. Vorfreude empfand ich keine. Nicht einmal Gelassenheit. Ich hatte es im Blut, dass er was ausbrütete. Es mochte vielleicht keine weltbewegende Sache sein, aber er hatte mit Sicherheit einen Grund plötzlich so eine Einladung auszusprechen. Und wenn ich ihn richtig verstanden hatte, dann war das auch keine persönliche Einladung gewesen. Uns würden noch eine Menge anderer Menschen auf High Chapel erwarten. Menschen, die ich nicht kannte, die ich nicht einzuschätzen vermochte und die wer weiß was planten.
Vielleicht landeten wir inmitten eines Komplotts! Vielleicht hatte sich der alte Alton überlegt, dass er das Gut doch lieber selbst bewirtschaften würde. Und man würde von mir erwarten, dass ich mich auf eine Seite schlug. Ich konnte es bereits vor mir sehen, wie ich drauf und dran war offenen Auges in ein Messer zu laufen.
Was also sollte das? Warum GreenScarp? Was konnte er von uns wollen? Und warum?
Das waren die Gedanken, die ich mir machte und die mich blind machten für die Wünsche meiner Familie. Aliciane wollte hinaus in die Welt, wieder einmal etwas anderes sehen als nur die Eintönigkeit unseres Zuhauses. Fionn war voller Neugier…
Fionn mochte annehmen, dass es Aliciane gewesen war, die mich überredet hatte. Doch mehr als einen Gruß zur Nacht und einen flüchtigen Kuss auf die Wange hatte sie am Abend nicht von mir bekommen. Ich hatte für mich selbst entschieden. Eine einsame Entscheidung, aber bald schon machten wir uns gemeinsam auf den Weg. Meine Frau, meine beiden Friedensmännern, Fionn und Rhodri, und ich.
Ich wollte auf alle Eventualitäten vorbereitet sein, rief mir das seltsame Gut in Erinnerung, das Yarid nun sein Eigen nannte und überdachte noch einmal die Umstände, die zu unserem letzten Besuch dort geführt hatten. Mit Frohsinn, geschweige denn mit Vorfreude erfüllten mich all diese Gedanken nicht.
Der Regen der letzten Tage hatte nachgelassen. Nun war es kalt und windig und schon weit nach Sonnenuntergang, als wir schließlich auf Altonland und letztlich auf High Chapel ankamen. Unwirtlich erschien mir der Anblick der kalten Mauern. Aus den Fenstern strömte warmes Licht und versprach Wärme und Freundlichkeit, aber ich wollte mich nicht täuschen und schon gar nicht einlullen lassen. Wer konnte schon ahnen, was in der Zwischenzeit geschehen war? Was würde uns erwarten?
Immer wieder musste ich das Grummeln in meinem Bauch besänftigen. Ich musste eine gut gelaunte Mine aufrecht erhalten, wollte ich nicht immer wieder vorwurfsvolle Blicke von Fionn ernten.
Wir stiegen ab, führten die Pferde in den Stall und übergaben sie den Knechten. Jemand wollte uns das Gepäck abnehmen, aber ich wiegelte ab und schulterte die Kiepe selbst. Langsam zog ich die Riemen an, kontrollierte den Sitz meiner Waffen und stapfte voran.
Aliciane war hinter mir, Fionn und Rhodri folgten dichtauf. Die Tür zum Haus stand sperrangelweit offen und es dauerte nicht lange, als eine schmale Gestalt erschien. Der Coridom.
„Corran di Asturien von GreenScarp“, sagte ich knapp.
„Ihr werdet bereits erwartet, vai dom“, kam die Antwort und eine Geste lud uns ein, ihm zu folgen.
Ich warf einen Blick über die Schulter, nickte und ging dem Mann nach. Er führte uns durch einen kurzen Korridor, vorbei an wartenden Mägden und Knechten. Meine Nase ließ mich vermuten, dass wir gleich die Küche erreichen würden und so war es. Ich sah weder nach links noch nach rechts, die Augen lediglich auf den Rücken des Coridoms geheftet und wartete, bis sich Türen für uns öffneten.
Ich erinnerte mich noch gut an die engen Flure und Treppenhäuser von High Chapel. Einzig an der Dekoration der Wände und Ecken hatte sich einiges geändert.
Nirgends lag Staub, keine Spur mehr von seltsamen Gegenständen, deren Wert einzig der Sammler bestimmen konnte. Alles wirkte sauber und ordentlich. Selbst unser Zimmer schien einigermaßen gemütlich. Es war warm, die Betten frisch bezogen, ein Licht brannte. Alles machte einen guten Eindruck.
Vorsichtig, Corran, dachte ich bei mir. Bleib vorsichtig.
„Es war keine gute Idee.“ Trotzdem legte ich mein Schwert ab, bevor ich das Zimmer verließ. Es war als würde die Zeit langsamer verlaufen, während wir zum anderen Ende des Hauses gingen. Dort führte eine weitere Treppe hinauf in den Saal, aus dem ich bereits Stimmen und das leise Spielen einer Flöte wahrnahm.
„Ich wünschte, wir wären nicht hergekommen.“
Reichlich spät. Und genau diesen Vorwurf entnahm ich auch aus den Gesichtern meiner Familie. Sie ließen mir keine Wahl. Fionns Lippen waren schmal geworden und mit knappen Worten erinnerte er mich daran, dass ich mir das hätte früher überlegen sollen. Es gab kein Zurück.
Meine Beine waren schwer, jeder Schritt kostete Überwindung. Aber ich erklomm jede einzelne Stufe, als würde mich am Ende ein Schatz erwarten. Es war alles andere als das.
Der Saal war hell erleuchtet, Kerzen brannten, saubere Decken lagen auf den Tischen, allerlei Tand schmückte den Raum und wie der Rest des Hauses auch, machte alles einen sehr geordneten Eindruck.
Wir traten ein und die Blicke aller wandten sich uns zu. Ich war derlei schon gewohnt, dennoch musste ich mich zwingen den Rücken gerade zu halten.
Abschätzende Blicke waren es, denn ich hatte mich, im Gegensatz zum Rest der Familie, nicht unbedingt in meine feinsten Kleider gehüllt. Der Mantel war alt, wenn auch von Aliciane mit schönen Stickereien verziert, die Tunika bequem und die Stiefel alt und ausgetreten. Aber nun gut... würde es nicht gelten als die Verschrobenheit eines alten Mannes? Wahrscheinlich.
Yarid kam mit schnellen Schritten auf uns zu und begrüßte uns. Ich rang mir ein Lächeln ab, war freundlich und übersah seine Hast und Eile, das Stolpern über zu viele Worte und Titel. Er begrüßte Fionn und freute sich wirklich ihn zu sehen.
Ein Ellbogen in meiner Seite erinnerte mich an das Gastgeschenk.
"Ein Pferd unserer Zucht, für Euch, Yarid."
Ich weigerte mich ihm den Dom zuzugestehen. Ich war weit entfernt von Standesdünklen, aber ich wollte ihn nicht auf einer Stufe mit mir sehen.
Dennoch war er hocherfreut, wußte gar nicht recht, was er dazu sagen sollte. Am liebsten wäre er sofort hinunter gegangen, um einen Blick darauf zu werfen, aber Fionn wies ihn freundlich darauf hin, dass morgen auch noch Zeit genug dafür sei.
"Ihr habt ja recht. Natürlich", erwiderte er. "Bitte, setzt euch doch!" Er wies uns einen Tisch zu, nahezu mitten im Raum. Ich rückte meiner Frau den Stuhl zurecht und setzte mich. Schon wurde Fionn von einigen Damen angesprochen. Ich lächelte, aber nur kurz, denn sie nahmen ihn scheinbar aus einem bestimmten Grund in Beschlag. Ich schaute immer wieder hinüber, ohne ein Wort zu verstehen. Aber nun gut... er würde es uns berichten.
Ich schaute mich im Saal um, aber ich kannte nur wenige Gesichter. Bis eine Dame mir geradewegs in die Augen blickte. Kurz nur, aber ich nickte höflich und lächelte leicht. Die Domna Elaine Ardais. Ich wurde ein wenig rot, erinnerte ich mich doch an einen Faux-pas, den ich nur zu gern vergessen hätte.
Aliciane sah mich fragend an, aber ich zuckte nur die Schultern und murmelte: "Mir hat mal ihre Suppe nicht geschmeckt. Sehr peinlich."
Aliciane seufzte nur und schüttelte den Kopf.
Fionn kam alsbald zurück und berichtete von der jungen Áine Alton und der mißlichen Lage, dass sie, als leibliche Tochter von Yannis Alton, doch die eigentliche Erbin des Gutes sei.
Wiederum zuckte ich nur mit den Schultern und warnte: "Wir lassen uns in nichts hineinziehen. Wir haben mit der ganzen Angelegenheit nichts zu tun und ich will nicht schon wieder, dass Yarid uns Schwierigkeiten macht."
Fionn gefiel es nicht, zumindest hatte ich den Eindruck, aber er fügte sich.
Damit war die Angelegenheit für mich erledigt.
Was sich nicht so schnell erledigte, war die Ankunft zweier doch sehr illustrer Gäste. Ein Raunen ging durch den Saal und ich wandte den Kopf.
"Nicht das auch noch..."
Ja, ich hatte es laut gesagt. Doch gleich darauf stand ich auf, meine Manieren nicht vergessend.
Hastur von Hastur. Oder zumindest einer seiner Verwandten. Ich glaubte mich an das Gesicht erinnern zu können. War er der gewesen, der bei meiner Bittstellung vor vielen Jahren hinter dem König gestanden hatte?
Ein Mann aus der zweiten Reihe.
Octavien Hastur und seine Frau Irmelin.
Kaum hatte ich mich erhoben, als der halbe Saal plötzlich auf den Beinen stand. Selbst die Frauen!
Ich schüttelte den Kopf. Hochgeborene, stolze und edle Frauen. Sie kratzbuckelten vor dem Hastur.
Nur eine nicht. Stolz sah ich zur Seite. Aliciane hatte nur amüsiert eine Braue gehoben, war aber selbst auf ihrem Stuhl sitzen geblieben.
So wie es sich gehörte.
Huldvoll... anders läßt es sich nicht beschreiben, entließ uns der Hastur nach ein paar schwülstigen Worten. Aber ich hörte sie schon gar nicht mehr, war doch mein Blick auf einem anderen vertrauten Angesicht hängen geblieben. Castamir... der Friedensmann des Hastur.
Ich ballte die Fäuste. Nein, von mir würde nicht einmal ein Castamir im Hause eines anderen etwas zu befürchten haben. Aber ich mahnte mich innerlich zur Vorsicht.
Getränke wurden gereicht, alle nahmen wieder Platz und wir unterhielten uns untereinander. Ich fühlte mich nicht wohl, vor allem weil die Hasturs direkt neben unserem Tisch saßen.
Und es dauerte nicht einmal lange, da kamen sie herüber.
"Dom Corran von GreenScarp!"
Octavien reichte mir seine Hand. Ich stand auf, ergriff sie und legte ein erfreutes Lächeln auf. Hätte man mir Geld gegeben, ich hätte kein besseres Schauspiel abliefern können.
"Es ist mir eine Freude Euch endlich kennenzulernen."
Und er schüttelte meine Hand und schüttelte sie. Er ließ sie nicht mehr los und füllte die Stille mir schwülstigen Worten, die mir normalerweise die Zornesröte ins Gesicht getrieben hätten.
Aber ich nahm mich zusammen und reagierte auf seine Beleidigungen mit einer Noncholance, die ich mir selbst gar nicht zugetraut hatte.
"Meine Frau Irmelin und mein Friedensmann, Jerome Castamir."
Ich nickte beiden knapp zu und hauchte der Dame einen Kuss auf die Hand, bevor ich Aliciane vorstellte. Sie reckte das Kinn und stand stolz da, eine geborene Aldaran.
Stühle wurden gerückt und ohne zu fragen gesellten sie sich an unseren Tisch. "Es ist traurig, dass wir hier einander nicht vom Gastgeber vorgestellt werden", mockierte sich Octavien.
"Er hat viel zu tun", wiegelte ich ab.
"Nun ja, mag sein. Aber so sind sie eben. Die Sitten im Hinterland. Apropos... ich war noch nie auf GreenScarp. Ist es wirklich so schön dort, wie man hört?"
Hinterland. Ich schloß für einen Moment die Augen. Wofür hielt er sich?
"Es ist ruhig", erwiderte ich.
"Jaja, ganz anders als bei uns in Thendara."
Er versuchte mich zu packen mit seiner weltmännischen Art, zu beeindrucken und als klein dastehen zu lassen. Doch das ließ ich ihm nicht durchgehen. Ich ließ durchblicken, dass auch unsere Wege uns schon des öfteren nach Thendara geführt hatten. Ich berichtete von dem großen Stadthaus der di Asturiens, an prominenter Lage, nicht weit von der Oper und konnte sogar auf das ein oder andere Stück reagieren, das dort noch immer auf dem Spielplan stand.
"Robay Harryl... einer unserer treuesten Vasallen."
Damit waren sie einen Moment zur Ruhe gebracht. Doch nicht lange und die Sticheleien gingen von vorne los. Doch auf keine musste ich noch eine Antwort finden.
Aliciane hatte auf alles eine Erwiderung und sie lenkte so geschickt vom Thema ab, dass ich vor Verblüffung nur Staunen konnte. Hasturs ging es ähnlich.
Unter dem Tisch griff ich nach ihrer Hand und drückte sie leicht. Ich war dankbar.
Bitte versucht wenigstend ein wenig Staatsmännischkeit an den Tag zu legen.
Nur zu gut erinnerte ich mich an Arielles Brief und ihre Bitte, aber es fiel mir immer schwerer. Jedesmal wenn ich den Kopf hob und den Hastur ansah, grummelte mein Magen und ich hätte ihm am liebsten einen Satz Ohrfeigen verpasst.
Doch dann hörte er von unseren Pferden und er spitzte die Ohren. "Besser als die Zucht auf Armida?" fragte er zweifelnd.
Ich wand mich ein wenig. "Vielleicht nicht besser, aber mindestens genauso gut. Ihr versteht, dass ich als Gast auf dem Land der Altons natürlich nicht daran denken werde, ihre Pferde schlecht zu machen."
"Ich möchte unbedingt einmal einen Blick darauf werfen."
"Gerne zeige ich euch morgen unsere Tiere, die wir mitgebracht haben."
"Ja! Unbedingt."
Und damit war das meiste an Konversation bereits gestorben, was sich auftreiben ließ. Ich suchte auch nicht weiter danach. Sollten sie mich als schweigsamen, mürrischen Hinterwäldler in Erinnerung behalten, es war mir gleich.
Sie hielten es auch nicht mehr allzu lang bei uns aus. Obwohl es mir wie Stunden erschienen war...
Kaum waren sie fort, als Rhodri mich fragend ansah. "Stühle?"
"Weg mit ihnen."
Wir räumten sie fort, damit Octavien und Irmelin auch ja nicht mehr in die Versuchung kamen, nach ihrer Rückkehr wieder bei uns Platz nehmen zu müssen. Damit war das Problem erledigt.
Später am Abend, nachdem ich Luft geschnappt und noch ein paarmal mit meiner Frau die Runde im Saal gemacht hatte, erlösten wir noch Colin Storn von seinem Elend. Die Damen hatten ihn in Beschlag genommen und erörterten in seiner Gegenwart die neusten modischen Entwicklungen aus Thendara.
"Meinst du, wir sollten ihn zu uns bitten?" fragte Fionn.
Ich nickte und er ging, um ihn an unseren Tisch einzuladen.
"Danke! Danke, Dom Corran! Noch einen Moment länger und sie hätten mir Strumpfhosen angezogen, um mich nach der neuesten Mode zu kleiden!"
Ich lachte, zum ersten Mal an diesem Abend völlig befreit und gelöst. Ich hatte das Gefühl, als würde sich meine Stimmung lockern und ich hatte nicht mehr diesen festen Knoten im Bauch.
Meine Vorsicht ließ nach. Und das... wie ich kurz darauf feststellte, sollte ein großer Fehler gewesen sein.
All das, was sich bis zu diesem Zeitpunkt zugetragen hat, habe ich vergessen.
Die Erinnerung an meine Gefühle, meine Worte und meine Taten habe ich allein aus Fionns Geist.
So eng wie wir beiden miteinander verbunden sind, weiß ein jeder von uns immer und überall, was der andere fühlt und denkt. Die Verbindung zwischen uns reißt nie ab.
Nur allein aufgrund dieser Verbindung konnte ich all diese Zeilen schreiben. Denn ich selbst habe sie vergessen. Für mich war all das nie passiert.
Wäre Fionn nicht gewesen, so hätte ich nur Yarids Worte im Ohr, wie er mit seiner Begrüßungsrede begann, sie nie zu Ende brachte und sähe noch die Hasturs vor mir, wie sie laut Bravo riefen und applaudierten.
Denn das war es, was ich noch wußte.
Meine Frau, plötzlich mit rot verquollenen Augen und verheultem Gesicht, warf sich mir an den Hals.
"Corran!!!!" schrie sie und krallte ihre Finger in meinen Mantel. Ich war gelinde gesagt schockiert, suchte nach Fionn in der Menge. Er starrte mich entgeistert an, das Gesicht ebenso vor Qual und Schrecken verzerrt.
"Was ist denn los?"
Ich wußte nicht mehr ein noch aus, Aliciane heulend an meiner Brust, Rhodri völlig verstört, Fionn, der sich abwandte und nach draußen rannte.
"Bei Zandrus Eiern! Was ist denn los mit euch?" fuhr ich sie an.
"Du warst tot, Corran." Rhodri war der einzige, der einigermaßen klar beisammen schien.
"Was? Du spinnst ja."
Ich klopfte mir auf die Brust. "Mir geht es gut!"
"Ja jetzt." Aliciane sah zu mir auf. "Du warst tot. Deine Hände waren kalt, dein Herz schlug nicht mehr."
"Was ein grandioses Schauspiel! Wirklich!" Octavien schien immer noch begeistert, doch bevor er überhaupt auf den Gedanken kommen konnte, wandte ich mich ab und folgte Fionn. Aliciane und Rhodri dichtauf.
Ich fand Fionn im Hof, schwer atmend und immer noch außer sich.
"Was ist los mit dir?" Ich sah zu Aliciane. "Mit euch allen?"
"Corran, hör doch endlich zu! Du warst tot!"
"Ach, hört auf! Ich lebe, ich fühle mich hervorragend."
"Ja, jetzt!"
Aliciane fiel mir ein weiteres Mal um den Hals, aber meine Augen hefteten sich auf Fionn. Er nickte, als würde er die Wahrheit nur bestätigen wollen.
Ich konnte es kaum glauben, doch kaum war Aliciane aufgestanden, als Fionns Geist auf meinen traf. Ich sah, was er gesehen hatte. Fühlte, was er gefühlt hatte.
Und ich brach zusammen. Schwer ließ ich mich auf einen Mauervorsprung fallen, beugte den Kopf nach vorn und atmete schwer.
"Ich weiß nichts davon. Nichts." Ich sah auf. "Aber ich lebe."
Und dann war es Fionn, der sich an mich klammerte. Und ich mich an ihn.